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Paradiessucher

Paradiessucher

Titel: Paradiessucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Dumont
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Dessertgabel, das gehört sich so. Iss.«
    »Und was ist das für ein winziger Kaffee?«
    »Das ist ein Espresso, Schatz. Der ist immer so klein.«
    Und er hält uns einen halbstündigen Vortrag über Espresso, oder wie es heißt. Das macht Spaß. Ich möchte, dass er uns immer etwas erklärt.
    »Und was bedeutet Schatzi?«, frage ich ihn, nachdem das Wort »Schatzi« ungefähr zum neunundachtzigsten Mal aus seinem Mund erklungen ist. Er macht mittlerweile einen gelangweilten Eindruck, wie der Vater, der zum neunundachtzigsten Mal seiner Tochter die Welt erklären muss. Doch meine Neugier ist unersättlich.
    »Das ist eine Koseform, ein Kosename für jemanden, den man besonders gerne hat.«
    Ich lächle ihn an, fühle mich geschmeichelt.
    »Und wer hat dir das Wort beigebracht?« Er trinkt den letzten Schluck aus der winzigen Tasse, schaut dabei melancholisch zu Boden und antwortet: »Niemand.«

EIN SCHWARZES ETWAS IN DEN HÄNDEN
    Marian hat komische Ideen. Er übergibt mir ein winziges schwarzes pelziges Knäuel. Es wiegt fast nichts.
    »Das ist für dich«, sagt er.
    Dann küsst er mich kurz und geht. Er muss wieder für ein paar Tage verschwinden, wird sich aber bald melden. Nichts Neues. Ich halte »es« in den Händen, kann nicht herausfinden, wo sich der Anfang und wo das Ende befindet. Eins wird langsam klar: Das Ding ist ein Hund.
    »Oh Gott, mein Gott, ist der goldig! Mein Gott, ist der süß!« So geht es eine Weile, bis Mutter und ich uns einigermaßen beruhigt haben und unsere Ekstase beenden.
    Wir sind schon immer in Tiere vernarrt gewesen. Ich hatte eine Schildkröte. Sie ist mir auf dem Spielplatz verloren gegangen. Dann kaufte ich mir einen Hamster, der Kenny hieß. Den habe ich drei Jahre nach seinem Verschwinden eingebuddelt im Blumentopf gefunden. Nur winzige Hamsterknochen ragten aus der Erde.
    Dann hatte ich einen Kanarienvogel, den Opa zur Pflege übernehmen musste, weil ich mit ihm nichts anfangen konnte. Und Fische. Sie sind alle frühzeitig gestorben. Ich habe sie im Klo heruntergespült, weil sie durch eine tückische Krankheit riesige Augen bekamen. Sah schlimm aus. Der Einzige, der immer noch lebt, ist unser Pudel Ben.
    Ich drehe das Ding hin und her. An seinem nackten, weichen Bäuchlein streckt sich etwas Winziges, so was wie eine kleine Pistole, und mir ist klar, dass es ein Rüde ist. Die schwarze Knopfnase ist nass und kalt, die Äuglein glänzen vertrauensvoll, die Tatzen sind rosa und weich wie Butter. Er kaut sofort an meinem Daumen, wie auf Befehl. Seine kleinen spitzen Zähne kitzeln. Er bekommt den Namen Benny. Wir bauen ihm ein Bettchen neben unserer Matratze, behüten ihn wie ein kleines Kind.
    Gott sei Dank befindet sich unser Sporthotel mitten im Wald, ideal für Hundebesitzer, so kann sich Benny, trotz des engen Zimmers, jeden Tag austoben. Wir finden mit diesem Tier Geborgenheit, Heiterkeit, Lebensfreude. Ein Zuhause ist in Sicht, eine Familie. Ein fast vergessenes warmes und friedliches Gefühl. Die anderen Asylbewerber lieben Benny, selbst die Albaner freuen sich, wenn ich mir, begleitet von Benny, eine Zigarette hole. Benny wird zuerst begrüßt, dann ich. Tänzelnd huscht er zwischen ihren Füßen hindurch, wirft sich auf den Boden und lässt sich durchknuddeln. Mutter hofft, Benny bald eine perfekte Hundefrisur zu verpassen, wie es sich für einen Pudel gehört. Lauter Fellkugeln. Damit könnten wir zu Hundewettbewerben fahren und einen Pokal gewinnen. Das wäre das Schönste für sie. Benny wird für unsere zweiköpfige Familie unentbehrlich.
    Doch die Sache hat einen Haken. Im Asylantenlager sind Hunde verboten. Wir haben noch nie zuvor erlebt, dass das Halten eines Hundes verboten war.
    »Nun, was sollen wir tun? Benny war ein Geschenk. Ich habe ihn nicht gekauft«, versuche ich dem alten Hausmeister zu erklären.
    »Ihn gar nicht erst annehmen«, sagt der alte Pole garstig. Ich rege mich nicht besonders auf. Der Alte kann mir viel erzählen, ich weiß, der legt sich mit jedem an. Seine Haut ist rot, die Augen leuchten in hellem Blau, und die glänzende Glatze an seinem Kopf droht einen Sonnenstich zu bekommen. Die Sonne ist noch stark an diesem spätsommerlichen Tag.
    »Dafür ist es zu spät. Das mit dem Hundeverbot haben wir erfahren, als Benny längst bei uns war, verstehen Sie.«
    »Trotzdem abgeben«, sagt er nebenbei, während er die Eingangsstufen fegt.
    »Was denken Sie denn?! Unmöglich!«
    Ein Familienmitglied, das uns ans Herz gewachsen ist, gebe ich

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