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Paradiessucher

Paradiessucher

Titel: Paradiessucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Dumont
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Haare, ähnlich wie meine. Von Statur ist sie klein, schlank, nein, fast dünn, hat eine spitze, nach oben wie eine Abschussrampe gebogene Nase und ein vom Solarium zu stark gebräuntes Gesicht. Sie könnte dreißig Jahre alt sein, für mich eine Rentnerin. Ihre flinken Augen wandern von Marian, der sich sofort aus meiner Nähe befreit, zu mir und dann wieder zu Marian. Sie starrt uns einen Moment an, so wie auch wir sie schweigend anschauen, und dreht dann ihren Leierkasten auf Hochtouren.
    Sie redet wirr, ich kann es nicht zusammenbringen, sie spricht zu schnell. Marian reagiert heftig, gereizt, beinahe beschimpft er sie. Er ist wie ausgewechselt. Ich wage es nicht, ihn anzusprechen, er ist zu aggressiv. Ich brauche nicht lange, um zu begreifen, was diese hysterische Lady mit Marian zu tun hat. So wie sich die Lage darstellt, scheint sie sich als seine Freundin oder Frau zu verstehen. Ich schweige lieber, wie die anderen Zeugen auch, während Marian und diese Frau peinlich streiten. Sie zeigt häufig mit der Hand auf mich, Marian wiederum fuchtelt mit seinem Zeigefinger. Das Wenige, was ich heraushöre, ist ihr Vorname. Christa. Wie sie spricht, scheint sie eine ganz normale Deutsche zu sein, denn Sätze herunternudeln kann sie ausgezeichnet. Das kann nur eine Deutsche. Und nur eine eifersüchtige Deutsche traut sich in ein Asylantenlager. Das hat Seltenheitswert.
    Marian beschimpft sie, zerrt an ihren dünnen Armen, wirft ihr vor, hier einfach reinzuplatzen, so eine Frechheit, ihm nachzuspionieren. Worauf sie dröhnt, ob ich die Frau sei, mit der er im Lager schläft. Sie betont »im Lager«, als würde Marian an anderen Orten auch noch Liebhaberinnen haben. Dies erfahre ich von den anderen, setze mir den Sinn zusammen wie ein Puzzle. Der Streit nimmt an Bösartigkeit zu, und uns wäre es angenehmer, wenn sie ihr Problem unter vier Augen lösen würden. Er packt sie grob an den Schultern und schiebt sie raus, so wie er mich vor einigen Wochen gepackt hat, allerdings um mich zu küssen.
    Diesem Rivalinnengetue will ich mich nicht stellen. Ich bleibe ruhig sitzen.
    »Krass«, sagt der Albaner, der sich im alkoholisierten Zustand gerne schlägt, »der hat ein Problem.«
    Und er nimmt einen warmen Schluck Bier aus der Blechdose.
    »Von einer Christa wusste ich nicht … Habt ihr das gewusst?«, sagt einer der Jugoslawen.
    Er hockt sich neben das Beistelltischchen und dreht sich eine. Die gelben Finger haben seit Langem weder Wasser noch Seife gesehen.
    »Gibt es noch eine?«, erschrecke ich.
    »Nicht dass ich wüsste. Ich rede nur von der da«, sagt der Albaner.
    »Was wirst du jetzt machen?«, fragt der Jugoslawe.
    Sein Tabak fällt ihm vor lauter Impulsivität vom Blatt.
    »Aufs Maul hauen!«, fällt natürlich dem Albaner ein.
    Ich muss lächeln.
    »Ich würde sie windelweich schlagen!«, fügt er glorreich hinzu.
    »Das glaube ich dir sofort. Trink dein Bier lieber nicht, wenn du mir einen Gefallen tun möchtest. Am Ende kriege ich noch von dir aufs Maul.«
    Er steht stocksteif da, mit der dämlichen Dose in der Hand, die Hose hängt ihm in den Knien, das nächste Mal bringe ich ihm einen Gürtel von der Caritas mit.
    Ich bin sauer. »Wer ist die Frau?«, frage ich in die bunte Runde.
    »Na, seine Tussi aus München. Christa«, sagt ein anderer.
    »Wie sie heißt, habe ich mittlerweile auch schon mitgekriegt«, erwidere ich ironisch.
    »Ich wusste von ihr. Ich wusste, dass sie hier irgendwann mal auftaucht, so dumm, wie sie ist!«, sagt der Slowake, der unter Marians Bett schläft.
    »Wie, und du lässt mich hier sitzen und mich von ihm verarschen?«, fahre ich ihn an.
    »Was gehen mich eure Fickgeschichten an, du Gans.«
    Der Albaner ballt schon seine Hand zur Faust.
    »Halt, hört auf. Stopp.« Stille. »Aus München?«, frage ich.
    Mein Kopf dreht sich wie ein Karussell bei dem Gedanken, dass ich es mit einer Großstädterin zu tun habe. Das finde ich gar nicht gut. Ich bin eine lächerliche Landpomeranze.
    »Das macht nur eine Deutsche, unsereiner würde sich nicht die Blöße geben«, tönt der andere Slowake heroisch.
    »Bist du dir da so sicher, du Gockel?«, frage ich.
    »Eine in München und eine in Königssee, in Traunstein noch eine, und so weiter, geil!«, prustet der Albaner los.
    »In München, Königssee und Traunstein?
    »Nee, das habe ich nur so gesagt. Es gibt nur dich und Christa.«
    »Dieser … Scheißkerl. Mieser Hund«, flüstere ich leise.
    Ich bereue, das gesagt zu haben, denn ich fürchte

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