Paraforce 3 - Jagd auf einen Totengeist
man einen Geist aufhalten konnte. Wie konnte man etwas töten, das nicht lebte? Er blies die Wangen auf, als er sich mit dieser Frage beschäftigte.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er seiner Freundin zum Abschied. »Der Bursche, zu dem ich fahre, machte wohl einen ganz vernünftigen Eindruck am Telefon. Eine Falle ist so gut wie ausgeschlossen. Wenn das Gespräch mit ihm beendet ist, komme ich auf dem schnellsten Weg nach Hause. Ich denke, es wird nicht spät werden.«
»In Ordnung«, antwortete Stephanie und wünschte Ben viel Glück. Dann beendeten sie das Gespräch und die nächsten fünfzehn Minuten vergingen schweigend. Ben blickte zum Fenster hinaus, doch Köln zeigte sich ihm von seiner reizlosen Seite, als sei es von seinem Besuch gekränkt und wolle ihn so schnell wie möglich wieder loswerden, und so achtete Ben bald nicht mehr auf Einzelheiten, sondern konzentrierte sich ganz auf den Fall.
Endlich hörte Ben die brummige Stimme des Fahrers, der mit dem Dialekt eines waschechten Kölners verkündete, dass sie am Ziel angelangt seien.
Ben zahlte und ging dann auf das dreistöckige Haus zu, das grau und heruntergekommen am Straßenrand kauerte. Einige Meter vom Eingang entfernt sah er eine große Lache Erbrochenes, die wohl von einem Betrunkenen aus der vergangenen Nacht stammte. Wie eine Signatur bemerkte er mittendrin den Abdruck eines Schuhs. Die Fenster waren allesamt geschlossen, was gewiss an dem Lärm lag, der hier den ganzen Tag herrschte. Er sah einige Pflanzen auf den Fensterbänken stehen und auch sie sahen trostlos und verloren aus.
Schütte wohnte im obersten Stockwerk, wenn die Anordnung der Namensschilder stimmte. Ben drückte auf den Klingelknopf und musste kaum drei Sekunden warten, bis der Summer ertönte. Offensichtlich hatte der Mann bereits auf seinen Besuch gewartet. Ben stieß die Tür auf und verschwand im Hausflur, in dem es nach Essen roch. Irgendwo plärrte ein Fernseher, dann hörte Ben den schrillen Ruf eines Kindes und die barsche Entgegnung eines Mannes.
Die Stufen der Treppe, die er gemächlich hinaufstieg, waren schmutzig, an einigen Stellen auch klebrig, als wären Getränkeflaschen oder undichte Mülltüten ausgelaufen. Er vernahm, wie oben eine Tür geöffnet wurde, aber nicht schwungvoll, sondern eher zaudernd, als hätte der Mann plötzlich Bedenken bekommen. Das konnte Ben verstehen; ihm wäre es kaum besser ergangen. Der Druck, der auf Andreas Schütte lastete, musste beträchtlich sein, wenn es stimmte, was er am Telefon erzählt hatte.
Nachdem Ben die letzte Biegung der Treppe hinter sich gelassen hatte, sah er seinen Gastgeber: einen blonden Mann, der ein blasses, beinah kränklich-bleiches Gesicht hatte. Sein Alter schätzte Ben Fuller auf kaum dreißig Jahre. Er lächelte nicht, als Ben mit ausgestreckter Hand vor ihm stand und sich vorstellte. Seine Ohren waren ziemlich groß, was ihm in seiner Kindheit sicher eine Menge Spott eingebracht hatte. In seinem Innern hätte man vermutlich eine Vielzahl an verdrängten Dramen entdecken können, die mit Wonne an ihm zerrten.
»Mit Ihnen hatte ich nicht gesprochen«, sagte er. Seine Stimme klang leise und gebrechlich, doch seine Augen ruhten voller feindseliger Skepsis auf Ben.
»Das ist richtig, Sie haben mit Kriminalhauptkommissar Crenz gesprochen. Ich bin sein Kollege.« Ben zückte seinen Ausweis, doch Schütte warf nur einen vagen Blick drauf und winkte verdrossen ab. Dann trat er in seine Wohnung und bedeutete Ben, dass er ihm folgen sollte.
Die Wohnung war einfach und recht trist eingerichtet. Die Möbel, die Ben sah, waren alt und vermutlich schon damals nicht sehr teuer gewesen. Im Wohnzimmer lag ein Teppich, der verschiedene dunkle Flecken aufwies und von der Farbe an einen krankhaften Zungenbelag erinnerte. Diese Wohnung bot einem ein Dach über dem Kopf, aber darüber hinaus zeigte sie keinerlei Ehrgeiz. Die Luft roch bitter und auch säuerlich nach Schweiß, weil kein Fenster geöffnet war.
Schütte forderte seinen Besucher auf, sich zu setzen, und Ben folgte seinem Geheiß und setzte sich auf das Sofa, das beinah eine ganze Wand des Zimmers einnahm. Der Mann entsann sich seiner Gastgeberpflichten und fragte, ob Ben etwas zu trinken wolle, doch der schüttelte lächelnd den Kopf.
Ben vernahm von der Straße unentwegt den Lärm des Autoverkehrs.
»Also«, sagte Ben schließlich, als auch Schütte saß, »was haben Sie zu berichten?«
Unsicher knetete Schütte seine Hände und wich Bens Blick
Weitere Kostenlose Bücher