Paraforce 4 - Die Blutsauger vom Drachenfels
unternommen, um ihr Vieh zu schützen?«
»Was sollten sie denn tun?«, gab Grulich zurück. »Der eine oder andere hat seine Tiere in den Stall gebracht. Da gehören sie aber um diese Jahreszeit nun einmal nicht hin. Es ist ja auch nicht jeden Tag etwas passiert. Die meisten haben wohl darauf gehofft, dass es andere traf und nicht die eigenen Kühe.«
»Kann man denn sagen, dass nur bestimmte Bauern betroffen sind?«, fragte Lena.
»Nein. Offensichtlich hat der Täter die Weiden wahllos ausgesucht.«
Lena schaute den Polizeichef skeptisch an. »Was haben Sie unternommen?«
»Ich habe nicht die Leute, um die Weiden des kompletten Gebietes zu bewachen und sehe das auch nicht als Aufgabe der Polizei. Wir haben die Tatorte untersucht und die Leute befragt, die in der Umgebung wohnen. Mehr können wir nicht tun.«
»Das kann ich nicht akzeptieren«, sagte der Landrat. »Ich erwarte, dass der Fall aufgeklärt wird. Wir müssen das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen.«
»Wir werden unser Bestes tun«, versprach Lena und stand auf. »Ich denke, es ist alles gesagt. Wir melden uns, wenn wir etwas in Erfahrung gebracht haben.«
Soller und Grulich schauten den beiden Ermittlern sichtlich überrascht hinterher, als diese das Gespräch einfach so beendeten und den Raum verließen. Nils konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Seine Tante konnte sehr eigenwillig sein, wenn ihr etwas nicht in den Kram passte.
»Ich werde jetzt mit Jacques telefonieren«, sagte Lena, nachdem sie das Präsidium verlassen hatten. »Willst du heute noch irgendetwas unternehmen?«
»Ich hole meine Sachen und gehe zur Drachenburg. Von dort oben habe ich eine gute Sicht und kann die Umgebung beobachten.«
»Ein Versuch ist es wert«, stimmte Lena zu. »Allerdings glaube ich nicht, dass heute wieder etwas passiert. Bisher lagen immer mindestens zwei Tage zwischen den Vorfällen.«
»Ich weiß. Trotzdem möchte ich nicht den ganzen Abend im Hotelzimmer sitzen. Ich muss etwas unternehmen.« Nils gefiel nicht, wie der Fall sich bisher entwickelte. Er hasste es, darauf warten zu müssen, dass etwas geschah. Er war ein Kämpfer und brauchte die Aktion.
4
Als Nils etwa zwei Stunden später die Aussichtsplattform auf dem Drachenfels erreichte, wimmelte es dort noch von Touristen, die den Sonnenuntergang über der Stadt Königswinter betrachteten. Hier hatte man einen herrlichen Blick auf den Rhein und die Umgebung. Über einen schmalen Weg erreichte er die Ruine. Dort setzte sich Nils auf einen Stein zwischen den verfallenen Burgwänden und stellte den Rucksack mit seiner Ausrüstung neben sich auf dem Boden ab. Er musste warten, bis er alleine hier oben war, wenn er nicht auffallen wollte. Während sich die Menschen langsam auf den Rückweg zum Tal machten und sich die Aussichtsplattform allmählich leerte, dachte er über seine Tante Lena nach, deren Gespräch mit Jacques vermutlich nicht unter einer Stunde abgelaufen war.
Nach dem Tod ihres Mannes Richard hatte sich Magdalena Sommer immer weiter zurückgezogen. Die Wissenschaftlerin erwarb ein altes Hofgut und richtete sich dort ein Labor ein. Dank ihres Erbes war sie finanziell annähernd unabhängig. Dennoch hielt sie an der Uni Gießen Vorträge in Physik und Chemie und war in diesen Bereichen eine anerkannte Größe in Hessen. Lena führte ein einsames, viele würden sagen langweiliges, Dasein. Nach einem Schottlandurlaub änderte sich dann vor drei Jahren alles. Nils dachte gerne an diese Zeit zurück, die auch sein Leben in völlig neue Bahnen gelenkt hatte.
Magdalena Sommer quartierte sich für drei Wochen in einer Burg in Schottland ein, in der es angeblich spuken sollte. Als Wissenschaftlerin glaubte sie natürlich nicht
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