Paraforce 6 - Die Stunde der Bestie
Sprache wieder auf die Ereignisse der letzten Tage.
Während eine Schreibkraft dafür sorgte, dass die Kaffeemaschine in den nächsten Stunden ständig in Betrieb war, gingen die beiden Polizisten noch einmal jeden Aspekt dieses seltsamen Falles durch. Irgendwann jedoch, als die Sonne im Westen nur noch einen Fingerbreit über den Dächern von Reutte stand, meldete sich Tobias’ Magen.
»Hatten Sie heute Mittag nicht irgendetwas über Tiroler Knödel erzählt?«
Arthur Braun antwortete mit einem breiten Grinsen.
»Na endlich, ich dachte schon, dass ich heute hungrig ins Bett gehen muss. Nach dem Essen können wir auch gleich das mit ihrem Zimmer klären.«
Eine Viertelstunde später dirigierte Braun den Innsbrucker Oberinspektor vom Polizeirevier am Obermarkt aus vor die Pension von Andrea Steinbrenner.
Mit seinen geschnitzten Fensterläden und den alpenländischen Wandmalereien unterschied sich das helle, zweistöckige Haus kaum von den anderen Gebäuden der hauptsächlich vom Tourismus geprägten Gegend.
Seite an Seite betrat Tobias mit dem Bezirksinspektor den Gastraum. Einige der Anwesenden nickten ihnen dabei grüßend entgegen. Man kannte sich schließlich, mit etwas über sechstausend Einwohnern war die Gemeinde noch überschaubar.
Neugierig ließ er seine Blicke durch das Lokal schweifen.
Die Einrichtung bestand gänzlich aus dunklem, poliertem Holz, das im Licht der unzähligen schmiedeeisernen Deckenlampen wie altes Kupfer glänzte. Stühle und Bänke waren mit grün karierten Sitzkissen überzogen, in der Mitte eines jeden Tisches thronte ein Trockengesteck. An den Wänden hingen Jagdtrophäen, Fuchs-, Dachs- und Wildschweinfelle, ausgestopfte Marder und Birkenhühner, aber auch Waffen wie Hirschfänger oder alte Steinschlosspistolen.
Ein würziger Bratenduft, der seine Magenwände beinahe schmerzhaft zusammenziehen ließ, erfüllte das Innere der Gaststätte und aus einer schmalen Tür neben der Theke war das Klappern von Töpfen und Pfannen herauszuhören. Offensichtlich befand sich dort die Küche.
Obwohl die Saison nach Brauns Angaben zu Ende war, herrschte in dem Lokal dennoch Hochbetrieb. Zwei Bedienungen in dunklen Kleidern und mit weißen Schürzen huschten ständig von einem Tisch zum anderen und auf den ersten Blick schienen alle Plätze belegt.
Aber Braun kannte sich aus.
Zielsicher steuerte er mit ihm auf eine Ecke im hintersten Winkel der Gaststätte zu, wo sich zu seiner Überraschung tatsächlich noch ein freier Tisch befand.
»Der hier ist nur für spezielle Leut«, sagte Braun und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
Salcher grinste verstehend und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
Neugierig nahm er die in Leder gebundene Speisekarte vom Tisch, als auch schon eine der Bedienungen neben ihm stand.
Tobias schätzte sie auf Mitte dreißig, sie war hochgewachsen und gut gebaut, ein Umstand, den selbst ihre schlicht gehaltene Kleidung nicht verbergen konnte. Schwarzes, schulterlanges Haar umrahmte ein fast perfekt geschnittenes Gesicht. Ihr energisches Kinn verriet im gleichen Maße Entschlossenheit wie ihr sinnlicher Mund und ihre dunklen Augen geballte Weiblichkeit ausstrahlten.
»Haben sich die Herren schon entschieden?«, sagte sie mit einer Stimme, die Tobias aufhorchen ließ.
»Du bist wie immer viel zu schnell, Andrea«, entgegnete Braun beinahe tadelnd.
»Mein Kollege hier hat die Karte noch nicht einmal aufgeschlagen. Er kommt aus Innsbruck, wie soll er da wissen, was für Schätze deine Küche zu bieten hat.«
»Innsbruck?«, echote die Frau und begann Tobias interessiert zu mustern.
»Ja, direkt aus unserer Landeshauptstadt«, erwiderte Braun belustigt, nachdem er Andrea und seinen Kollegen einige Sekunden lang mit dem geschulten Blick eines erfahrenen Kriminalbeamten beobachtet hatte.
Dann wurde er sofort wieder ernst. »Ich habe dort wegen einer Mordsache um Amtshilfe gebeten.«
Das Strahlen in Andreas Augen erlosch schlagartig. »Du meinst die Sache mit Feuchter?«
»Sie wissen davon?«, mischte sich Tobias in das Gespräch ein.
Die Pensionswirtin nickte betroffen. »So etwas spricht sich hier schnell herum. Reutte ist zwar der Hauptort dieses Bezirks, aber trotzdem kennen die meisten Leute hier Mord nur aus dem Fernsehen. Unter den Einheimischen ist bereits eine Wirtshausrauferei das Maß allen Verbrechens. Das, was wir hier an Kriminalität haben, geht fast alles auf das Konto der vielen Auswärtigen.«
»Dann ist Reutte zurzeit wohl einer der
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