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Paragraf 301

Paragraf 301

Titel: Paragraf 301 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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nächtlichen Möbelaktion mit Adaman und Schukowski.
    Schlüter hörte mit offenem Mund zu. »Den ersten Teil der Story kenne ich«, sagte er. »Aber das Buch …?«
    »Ich konnte ihn von der Schwarte kaum wegkriegen«, endete Clever. »Der war wie festgeklebt. Als hätte er einen Schatz vor sich.«
    »Der Oberkreisdirektor Dieken und Rothenfels haben sich die Möbel der Gräfin unter den Nagel gerissen!«, rief Schlüter aus. »Und einen Versicherungsschaden vorgetäuscht. Das Haus ist bei der Auxilium-Versicherung versichert, Rothenfels ist Vorsitzender des Aufsichtsrates. Das habe ich heute Nachmittag rausgekriegt. Der Mann hat Narrenfreiheit, der kann machen, was er will! Den kontrolliert doch keiner! Und Adaman wollte sich ein Buch holen, wir wissen nicht, was für eines, und dabei hat Rothenfels ihn überrascht, und …«
    »Rothenfels kann’s auch gewesen sein«, fasste Christa zusammen. »Und Dieken. Jedenfalls hatten die ein Motiv.«
    »Und die Leute von der PKK«, ergänzte Schlüter und gab, unter Zekiye Kayas erschrockenen Augen, Cengis Bericht wieder. »Falls die so weit gehen bei ihrer Geldeintreiberei.«
    »Und wer noch?«, fragte Clever, indem er sich triumphierend umsah und die offenen Hände ausbreitete wie ein Moslem beim Gebet. »Bitte …«
    »Ich will wissen, ob ich für Adamans Tod verantwortlich bin, verdammt noch mal«, knurrte Schlüter. »Sonst frisst mich das auf. Das merke ich jetzt schon.«
    »Und ich will wissen, ob der Mann, mit dem mein Vater mich verheiraten will, ein Mörder ist«, erklärte Zekiye Kaya.
    »Und wieso geben wir das nicht der Polizei bekannt, was wir wissen?«, fragte Christa. Wir, sagte sie, und mit diesem Wort gründete sie eine Verschwörung und gab dem Gespräch die entscheidende Wendung.
    Das ginge nicht, antwortete Schlüter. Dann könne er seinen Beruf an den Nagel hängen. Denn er habe Gül vertreten – er könne ihn doch jetzt nicht in die Pfanne hauen, das sei Parteiverrat, eines der schwersten Vergehen, dessen sich ein Anwalt schuldig machen könne. Er wolle nur für sich selbst Klarheit haben.

    »Ist sogar ein Verbrechen«, ergänzte Clever. »Mindeststrafe ein Jahr, wenn ich mich nicht täusche.«
    Schlüter nickte. Er war nicht der einzige Sachverständige im Raum. »Jedenfalls muss ich Heyder Cengi davor bewahren, dass er in die Türkei abgeschoben wird. Mandat hin oder her. Das habe ich Adaman versprochen. Und das ist mir das Wichtigste.« Was Adaman ihm erzählt habe, reiche aus, um Asyl für Cengi zu beantragen, notfalls in einem zweiten Verfahren. Cengi sei ein Nachfahre Verfolgter, von Überlebenden eines Genozids. Zudem werde er selbst verfolgt. »Ich habe ja wenig Ahnung von Asylrecht, aber es muss mit dem Teufel zugehen, wenn ein Alevit aus dem Dersim kein Asyl bekommt. Wenn die UNO den Juden Palästina gibt, wenn Deutschland verfolgte Juden aus Russland aufnimmt oder jetzt Leute aus Jugoslawien, dann muss es verdammt noch mal auch verfolgte Dersimi aus der Türkei aufnehmen!«
    »Nur dass keiner was von diesem Völkermord weiß«, warf Clever ein.
    »Dann muss man ihn eben beweisen«, sagte Christa.
    »Und wie soll man das machen?«, fragte Schlüter.
    »Indem man hinfährt«, antwortete Clever sachlich. »Anders geht das nicht. Ist doch klar, oder?«
    Schlüter sackte in sich zusammen. Clever hatte Angelas Worte wiederholt.
    »Dann kann man auch gleich die Sache mit Gül klären«, setzte Clever nach und schwenkte mit leichter Hand seinen Tee. »Wenn man schon mal da ist. Dann weiß man wenigstens, was los ist.«
    Zekiye Kaya nickte überzeugt. Keiner sagte mehr etwas.
    Clever stand auf, er ragte auf wie ein Strichmännchen im grellen Licht der Küche, irgendwie heroisch, trotz seines melancholischen Blicks, seiner fettigen Haare und seiner großen, fast durchsichtigen Ohren. »Ich bin dabei«, sagte er und hob seinen Becher. »Prost!«
    »Das ist doch völlig unmöglich!«, widersprach Schlüter. »Wir können doch nicht einfach Völkermorde aufklären und Beweise für Verfolgungen sammeln – in der Türkei! Das ist doch Wahnsinn!«
    Jetzt stand auch Christa auf, das Glas in der Hand. »Stimmt«, sagte sie. »Völkermorde kann man als Einzelner nicht aufklären. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, dann muss dein Cengi staatliche Verfolgung nachweisen, um Asyl zu bekommen. Gehen wir mal davon aus, dass den deutschen Gerichten die ethnischen und religiösen Verfolgungen nicht ausreichen. Aber Adaman hat berichtet, dass Cengi in der

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