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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Hof mitsamt dem Wagen bequem herumdrehen können. Demén hatte den Hof nach hinten verlängert, aber im ersten Stock den Laubengang etwas nach vorn versetzt, um das Quadrat optisch wieder herzustellen.
    Allerdings nahm dieser Laubengang der Hauswartwohnung im Mezzanin das Licht, aber sie war trotzdem nicht dunkel und vor allem auch nicht unfreundlich. Der Widerschein des glänzenden gelben Klinkers im Hof erhellte die Küche und die beiden Zimmer. Obwohl die Sonne sie nie direkt erreichte, gab es da ein starkes Licht und eine durchdringende Farbe. Jetzt gerade leuchtete an der Decke der Wohnung das heftige Gelb einmal auf, erlosch dann wieder, je nach der Bewegung der Wolken. Den Himmel allerdings sah man von hier unten auch dann nicht, wenn man die Schläfe an die Fensterscheibe drückte. Genau das tat der Hauswart in diesem Augenblick in der Küche, aus der er das Dach noch am besten sehen konnte, denn da fielen die Ziegel herunter, als löse der Wind sie ab und schmisse mit ihnen um sich. Wahrscheinlich war zuerst ein loser Ziegel das steile Dach heruntergerutscht, gefolgt von einem nächsten, und danach hatten die Windstöße leichtes Spiel. Jetzt konnten sie ganz einfach unter sie hineinfahren, die lückenhafte Reihe anheben und an den Schwachstellen die Ziegel wegschleudern. Der Hauswart, Imre Balter mit Namen, blickte noch einmal hinauf, dann durfte er nicht länger zögern, er nahm Schirmmütze und Dachbodenschlüssel und machte sich auf den Weg.
    Die Ziegel schlitterten bedrohlich lange und scharf quietschend, knallten dann auf die Dachrinne, um gleich danach auf dem Hof in Stücke zu zerspringen.
    Ein andermal hätte sich Balter vielleicht rascher entschlossen.
    Hol’s die Pest, brummte er.
    Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass er den Verfall eigenhändig aufhalten würde.
    Auch der Lift funktionierte seit Wochen nicht mehr. Er brauchte ziemlich lange, bis er mit seiner verrenkten Hüfte über die Holztreppe vom Mezzanin heruntergekraxelt war. Und da standen ihm noch der gefährliche Hof und die drei Stockwerke nach oben bevor. Diesen Lift, behauptete der Techniker der Hausverwaltung gegenüber, könne man nicht mehr reparieren, der habe ausgedient. Davon war kein Wort wahr, wie alle wussten. Hol sie doch die Pest. Bis der Hauswart im Hof angelangt war, hatte das Herunterschlittern aufgehört, aber wegen des strömenden Regens hinkte er doch lieber unter dem schützenden Laubengang des ersten Stocks entlang. Im Vorbeigehen blickte er in den Kellereingang hinunter und schnalzte leise mit der Zunge, heute hatte sich noch keine seiner Katzen gezeigt, die schienen gar nicht hungrig.
    Katzen konnte er nach Belieben halten, es gab ja keinen Hausbesitzer mehr, wie ihm eines Tages plötzlich aufgegangen war. Wozu aber nach den Verstaatlichungen noch weitere zehn Jahre hatten vergehen müssen, schon weil die Erben nach wie vor im zweiten Stock wohnten, und auch wenn sie nie ein Wort sagten, hielten sie den Hauswart mit Blicken in Schach, ja, sie spießten ihn förmlich auf, wenn er eigenmächtig wurde und gegen die alten Hausregeln verstieß. Zumindest empfand er es so. Und man wusste ja auch nie, was kommen würde. Sechsundfünfzig hätten sie das Haus um ein Haar zurückerhalten, hätte der ganze Zirkus nur noch ein bisschen länger gedauert.
    Sein schlurfendes Hinken hallte im Tordurchgang wider. Er zog die Schwingtür sorgsam hinter sich zu, ging am scheintoten Lift vorüber, aus dessen bordeauxrotem Innerem die Regenbogenfarben der geschliffenen Spiegelränder ihm in die Augen schillerten, dann begann er ans Geländer geklammert langsam nach oben zu steigen.
    Nach Samu Deméns Tod hatten die Erben dieses verschwenderisch geplante Haus maß- und geschmackvoll, aber doch eindeutig in der Hoffnung auf höhere Einkünfte umbauen lassen, es bis zu einem gewissen Grad proletarisiert. Sie befanden, dass die Küchen, Kammern und Dienstbotenzimmer durchaus kleiner sein durften, und aus dem, was da abgeknapst wurde, machten sie auf der Hofseite des Gebäudes in jedem Stockwerk zwei zusätzliche Wohnungen. Die durchgehende Straßenfront des ersten Stocks, die Demén ursprünglich für die Bedürfnisse einer kurzlebigen, nationalkonservativen Kleinpartei entworfen, dann, nach deren Auflösung, an ihr weiterbestehendes Wochenblatt vermietet hatte, wurde ebenfalls umgestaltet und ein wenig modernisiert. Was eher auf Zerstörung hinauslief. Die edlen Holztäfelungen wurden herausgerissen, und in sämtlichen Zimmern ließ

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