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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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nicht der Frau Médi ihr Kind.
    Ich wünsche mir von Herzen, dass Sie lernen, mit sich selbst geduldiger zu sein.
    Ich bin niemandes Kind, bitte sich das zu merken.
    Für mich ist es sehr wichtig zu wissen, wessen Kind ich nicht bin, und Frau Margit Hubers Kind bin ich gewiss nicht.
    Ich bin das Kind meiner verhurten Mutter, die von jemandem aus dem Stand gefickt worden ist, falls Frau Médi solche Ausdrücke versteht.
    Sie haben eine Neigung zur Hysterie, mein Kind, und die Frage ist, ob Sie diese üble Tendenz in den Griff bekommen. Und wie ich Ihnen dabei helfen kann, auch das ist eine große Frage. Jedenfalls braucht es Selbstbeherrschung, Ihnen Stunden zu geben. Beruhigen Sie sich, und noch einmal von vorn, bitte. Wie eine gewöhnliche Technikerin, denken Sie das, ich bin eine gewöhnliche Technikerin, die diesen vermaledeiten Schaltungsfehler doch finden sollte.
    Versuchen wir es staccato.
    Wir müssen hören, was Sie mit diesem eines besseren Loses würdigen Fis anzustellen belieben.
    Bitte mir nicht immer zu sagen, ich beliebe.
    Jeder Ton muss einzeln an seinen Platz gesetzt werden, Gyöngyvér, nicht allgemein, singen Sie nicht allgemein, versuchen Sie es staccato.
    Es wird Sie nicht überanstrengen, keine Angst.
    Na, sehen Sie.
    Wenn Sie die Note so langsam und separat nicht herausheben können, wie soll das denn um Himmels willen im richtigen Tempo gehen.
    Hetzen Sie nicht, wohin hetzen Sie, schmieren Sie nicht so hässlich, nicht so schmieren.
    Das kommt nicht schön heraus, wenn die hohe Note so gespannt ist.
    Es gibt Tage, mein Kind, da Sie nicht singen, sondern geschickt versuchen, die Töne zu umgehen, ihnen zu entkommen. Ich weiß, Sie werden mir das nachtragen, aber wieder haben Sie den Ton nicht gestützt.
    Ich leihe mein Ohr, gebe es Ihnen zur Miete, aber singen müssen Sie. Der Sänger, Herzchen, singt nicht allgemein, auch wenn der theatralische Instinkt einen dazu verleiten möchte, markieren, markieren, bloß nicht spielen, das lassen Sie bleiben. Sie haben eine Stimme, Sie wollen trotzdem so singen, wie Sie es den anderen ablauschen.
    Das wird zu Selbstbespiegelung oder Selbstmitleid. Das ist nicht Ihre schönste Stimme, Gyöngyvér, immer noch nicht. Sie lassen sie nicht heraus. Um Ihre ganze Stimme zur Verfügung zu haben, müssen Sie mit jedem Ton Ihren Körper in Position bringen, im Einklang mit Ihren Gefühlen, das haben wir doch schon eingehend besprochen. Sie müssen einen Takt voraus wissen, was Sie zu tun gedenken. Und vergessen Sie nicht, dass auf Deutsch das ü auch dann noch kurz ist, wenn das Tempo ein längeres verlangt.
    Sagen Sie mir nach, Glück.
    Glück.
    Gyöngyvér, bitte, noch kürzer, Sie sind glücklich, verstehen Sie, glücklich.
    Glück.
    Des Tempos halber können Sie den Vokal verdoppeln, aber passen Sie auf, dass sich kein h dazwischenschleicht. Bitte sich nicht dieses peinliche Hühü angewöhnen. Es geht um Glück, nicht um Belämmertheit.
    Natürlich machen es andere auch, aber auch die versteht man nicht. Sie werden doch nicht Schwächen nachahmen wollen.
    Genügen Ihnen die eigenen denn nicht.
    Glück, sprechen Sie es mir brav noch einmal nach und strahlen Sie mir mit der Stimme.
    Nicht mit Ihrem Gesichtchen, Gyöngyvér, höchstens mit Ihren Augen.
    Strahlen Sie mir aus Ihrem hübschen kleinen Gesicht entgegen.
    Meinetwegen können Sie auch mimisch andeuten, was Sie in Ihrem großen Glücksgefühl machen werden, so viel lässt die dramatische Situation zu, Sie, Teuerste, machen es aber gerade umgekehrt, Sie zeigen nachträglich, was Sie nicht in Ihre Stimme zu legen beliebten. Sie machen Grimassen, und ich wollte vom Glück hören.
    So ist das keinen Pfifferling wert, nichts, null, zéro. Das ist so, als würden Sie Ursache und Wirkung verwechseln.
    Wir addieren ja auch nicht Äpfel und Birnen.
    Sie können doch nicht anstelle des Akustischen das Visuelle geben.
    Jetzt möchte ich endlich hören, wie Sie den Ton schön platzieren.
    Glück, ich will es kürzer hören, Gyöngyvér, kürzer, und Ihre Stimme soll strahlen.
    Gyöngyvér Mózes hämmerte verzweifelt aufs Fis ein, während es draußen schon dämmerte und im selben Augenblick, gar nicht so weit entfernt, der in seiner Seele zerquälte und gedemütigte Kristóf Demén das Versprechen, das er sich gegeben hatte, tatsächlich einlöste.
    Er schleppte sich nicht über die Margaretenbrücke, sondern doch über die Árpád-Brücke in Richtung des Pester Ufers.
    Diese Brücke hatte er gewählt, weil sie

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