Parallelgeschichten
sie sich nicht einmal zu berühren. Sie fühlte sich, als wären sie immer noch dabei. In diesen vier Tagen waren sie schon im Ferienhaus der Familie gewesen, auch in Visegrád, auch in der Ó-Straße in der Wohnung seines Freundes mit dem komischen Namen, aber wo immer es war, ihre Bewegungen hatten nur eine einzige Richtung gehabt. Na schön, dann wirft Frau Szemző sie halt raus. Dann gehe ich eben anderswohin, wo es natürlich kein Klavier gibt. Man kann ja nicht den Eid darauf ablegen, dass man nur mit Typen ins Bett gehen wird, die eine eigene Wohnung haben. Sie ging nicht zu ihm zurück, denn wenn sie weitermachten, würde dieser Mann ihren Ehrgeiz brechen. Noch hat sie ja die schönen Pelzmäntel nicht, nie werde ich zu einer verdammten Wohnung kommen, der da würde mich mit dieser dauernden Fickerei um den noch nicht vorhandenen Schmuck bringen.
Ich kann mich doch nicht seinetwegen ruinieren.
Die einstöckige Villa mitsamt sonnigem Garten, den rauschenden Applaus, die wahnsinnigen Bravorufe von der Galerie, die ganze überbordende Ovation, das alles müsste sie dagegen eintauschen.
Besser, sich mit der Kunst zu beschäftigen.
Alles, was einmal geschehen war, steckte in der abgestandenen Luft zwischen diesen unfreundlichen Wänden. Es war keine Einbildung, sie stellte es sich nicht bloß vor, sondern durchlebte es wirklich, durchfühlte es in allen Einzelheiten mit ihrem schaudernden nackten Körper. Während sie dachte, sie träume von ihrer Zukunft und von ihren Chancen, und nicht sie brülle vor Befriedigung, sondern das Publikum.
Médilein verriet ihr ja manchmal still und ernst das Geheimnis des Gesangs.
Die werden schon noch brüllen, Médilein braucht da gar keine Angst zu haben.
Sie dachte darüber nach, was dieses Médilein da von ihr verlangte.
Das ist etwas ganz Eigenartiges, Gyöngyvér, denn Sie müssen die Zuschauer dorthin führen, wohin eigentlich Sie unterwegs sind, wobei Sie nur mit ihnen zusammen hingelangen können. Sie kennen sie nicht, es ist auch nicht ratsam, sie kennenzulernen.
Vielleicht macht es dann gar nicht so viel, dass Männer sie nicht richtig befriedigen können.
Wenn wenigstens das die Befriedigung wäre, dass es nicht so wichtig ist, dass nichts so wichtig ist wie der Gesang.
Auch wenn sie beide noch weitergehen könnten, immer bleibt dieses merkwürdige, quälende Gefühl an der Oberfläche.
Zu dieser frühen Morgenstunde ging ihr auch auf, dass dieser Mann sie mindestens ebenso wenig liebte wie sie ihn, aber sie hätte doch nicht gern gedacht, dass also auch sie ihn nicht befriedigte, so oft und so gut sie auch fickten. Das durfte sie nicht denken, wenigstens darin wollte sie vollkommen sein, in dieser ganzen Fickerei.
Das Publikum muss hören, mein Kind, dass nicht einmal Ihre höchsten Tonlagen forciert sind, sowenig wie Sie an den tiefsten ersticken dürfen.
Als könnten Sie immer noch weitergehen, immer weiter, aber nicht Sie müssen sich anstrengen, das Publikum wird nach Ihren höchsten Tönen angeln, dass ihm die Luft wegbleibt.
Obwohl sie doch wirklich weiß, wo die letzte Grenze des Möglichen ist.
Ihre Schamspalte brannte, schmerzte vom vielen Reiben.
Sie konnte nicht unter den Gefühlen auswählen, vor allem gab es keine von einem kontrollierten Instinkt gelenkte musikalische Note, die das ungeheure Gewicht und die Masse der unpersönlichen Vergangenheit ansprechen und zum Reden bringen konnte.
In der mondhellen Frühsommernacht legte sich mit bläulichen und gelblichen Lichtern das Alles-vorbei auf Frau Szemzős Zimmer.
Mit seinen verrückten gelben Lichtreflexen saß es auf Gyöngyvérs Schultern, auf dem ganzen in einem Albtraum versunkenen Stadtviertel. Der einsame Halbton hatte nicht die Kraft, zum Vergangenen zu reden oder dem Gefühl fürs Vergangene, seiner ungeheuren Masse, einen Körper zu geben.
Zum Durchbruch fehlte die Kraft.
Sie hat eine Gesangslehrerin, die sie nie, nie zum Singen zulässt. Die plagt und quält sie, eine Sadistin, wie sollte sie dann den Durchbruch schaffen. Sie unterbricht sie dauernd, erstickt im Namen des sauberen Ausdrucks jeden einzelnen Ton in ihr. Wie soll sie dann leicht und natürlich singen, wie soll sie den Ton bilden. Das Weibsbild macht einem die Nerven kaputt, der glaub ich kein Wort mehr.
Man konnte sich im historischen Dickicht der Gegenstände nicht rühren, und mit diesem verfluchten Fis kam man nirgendshin.
Die beiden Fis müssen Sie allerdings sauber herausarbeiten, mein Kind.
Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher