Parallelgeschichten
Mária Szapáry in den Hühnerstall gesperrt? Nie. Sie hatte nichts zu trinken bekommen, hatte aus der Tränke getrunken, aus der Viehtränke hatte sie trinken müssen.
Woraus sonst.
Wann haben die so viel gelitten wie Gyöngyvér, die nicht einmal wusste, dass das seelisches Leiden war, solche Wörter hatte man ihr nicht beigebracht. Morgens bekam sie eine Futterrübe, da, iss. Sie wird niemandem erzählen, dass sie Würmer ausgrub und lebend aufaß. Wie hätte sie wissen können, dass auch darauf Strafe stand.
Sie begriff nicht, was an einem kleinen Mädchen böse sein sollte, überhaupt, was das Böse war. Sie wusste nicht einmal, was ein kleines Mädchen, was ein kleiner Junge war, sie wurde gehalten wie ein stumpfes Vieh, und auch dafür wurde sie noch bestraft.
Das Wasser für die Hühner hat sie getrunken.
Auch dazu ist dieser Nichtsnutz fähig.
Sie blickte an sich hinunter, suchte, tastete an ihrem Körper nach der Nichtsnutzigkeit, wo die wohl an ihr haftete, und warum waren die anderen Kinder so nützlich.
Und immer wurde sie hungrig und durstig da reingestoßen, ein jeder durfte sie demütigen, bis in den Staub erniedrigen.
Davon würde sie nie mehr loskommen. Sie ertrug die langen Stunden und ganzen Nächte im Hühnerstall nur, weil sie nicht wusste, dass sie sterben konnte und geboren worden war, woher hätte sie es auch wissen sollen. Nichts konnte sie wissen, was andere kleine Kinder wissen. Der Schieber ging zu, die Tür des Hühnerstalls wurde von außen geschlossen, das war die Strafe dafür, dass sie schon wieder aus der Tränke getrunken hatte.
Bist du denn ein stumpfes Vieh, dass du das Wasser der Rinder säufst. Bringe ich dir denn umsonst bei, was du tun sollst, dass du um Wasser bitten sollst, wenn du durstig bist. Hast doch eine Rübe gekriegt, hast du. Ich lasse dich die ganze Nacht da, der böse Fuchs wird dich holen und dir die Gurgel durchbeißen, wenn du dich zu rühren wagst.
Aus den Tiefen dieser Nacht schien die Erkenntnis zu kommen, dass ihre erste Ziehmutter, an deren Gesicht sie sich nicht einmal mehr erinnerte, nur an ihre fleischigen, von der Sonne dunkelbraun gebrannten Arme, an ihre schweren Schritte und an ihren schweren Zorn, und an den großen fremden Mann, und was der mit seiner Frau machte, an diese vertrauten und erschreckenden Töne, dass diese überlebensgroße Frau in ihrem früheren Leben das Médilein gewesen war.
Deshalb hat sie vor ihr oder vor Médilein eine solche Angst, und vor den Männern.
Die haben sich ineinander verwandelt, die wird sie nicht mehr los.
Deshalb kann sie von ihr nicht lernen, was sie lernen müsste, nicht wegen der Schnäpse.
Da kann sie noch lange zahlen.
Sie wird sie umbringen.
Soll ich denn mein ganzes Gehalt zu ihr tragen.
Zwei verschiedene Dinge, ihre ahnungslos begangenen Untaten und ihre reine Existenz, trafen unglücklich aufeinander, sie dachte es nicht, sie sah es. Sah den Fuchs aus der Nähe, in ihrem Leben war das kein Märchen, dass nachts der Fuchs und die Ratte kommen und so lange am Verschlag nagen und zerren, bis sie sich ein Huhn oder einen Hahn schnappen können und auch das kleine Mädchen mitnehmen. Mitnehmen war schon recht, da wurde es endlich still, oder vielleicht ist in ihr etwas zerrissen, etwas in ihrem Leben fügt sich nicht zusammen, und nur sie wird von Gott so unbarmherzig geschlagen.
Der Fuchs war wirklich gekommen.
Es war ihr mit großer Mühe gelungen, den Riegel von innen herauszuklauben, immerhin. Rasch hatte sie das Eisen in die Brennnesseln geworfen. Damit man sie nicht wieder in den Hühnerstall sperren konnte. Aber sie taten es trotzdem wieder, man schlug sie auf den Kopf, jetzt nahmen sie etwas anderes zum Abschließen, die ist ja so verstockt und nichtsnutzig.
Nicht nur ist die Vermaledeite entwischt, sie hat auch das Hühnerwasser getrunken.
Soll sie doch reden oder antworten, bevor ich sie totschlage.
Mit einem restlichen Fünkchen Verstand begriff sie, dass die Weltordnung für die anderen anders aussah, die wuschen sich und gingen in die Kirche. Sie begriff nicht, warum man ihr Schmierseife in den Mund stopfte, wo sie doch nicht verstehen konnte, worauf sie antworten müsste und worin ihre Untat bestand und warum sie so dreckig und stinkig war und sich die Flohstiche kratzte.
Frau Bizsók machte nicht solche Sachen mit ihr, ließ aber unbarmherzig Ohrfeigen prasseln oder versohlte ihr den Hintern.
Dass sie es mit dem Rebenpfahl tat, wird ihr Gyöngyvér allerdings nicht
Weitere Kostenlose Bücher