Parallelgeschichten
errötete.
Sein Herz machte einen Sprung, wenn ganz in der Nähe das Schiffshorn erklang.
Da hätte er lieber an Frau Szemző gedacht, tat auch so, als denke er an sie, aber in Wirklichkeit dachte er nicht an sie. Seine Hand rutschte aus, er schlug sie an oder griff daneben vor Entsetzen, dass sein alter Freund ein paar Minuten später wirklich eintreffen könnte, obwohl er doch wünschte, er würde nicht kommen, weder jetzt noch sonst je. Er seufzte sogar, stöhnte auf vor wilder Freude. Eine solche Gefühlswallung war nicht ungefährlich, an den alten Sägemaschinen der Langefelder Maschinenfabrik gab es praktisch keine Schutzvorrichtung. Madzar schämte sich für seine Gedanken und das Gestöhne, statt auf seine Hände zu achten, aber er musste sich auch eingestehen, dass es durchaus angebracht war, sich zu verspotten.
Er wartete auf seinen Geliebten.
Obwohl er doch mindestens zwölf Jahre lang nicht an ihn gedacht hatte. Was natürlich nicht stimmte. Bellardi konnte am Nachmittag kommen. Und wenn nicht, dann zwei Tage später in der Nacht. Das war die aufregendere Vorstellung, dass er in der Nacht käme. Sie würden bis zum Morgengrauen bei einer guten Flasche Wein auf der Veranda sitzen, er würde seine Mutter bitten, rasch ein paar Fleckenpogatschen zu backen. Er überlegte sich sogar, ob er seiner Mutter im Voraus etwas sagen sollte.
Mutter, habt bitte etwas bereit, es könnte sein, dass Besuch kommt.
Doch dann sagte er nichts.
Trotzdem fragte sie, da hinter seinem Rücken stehend, ob sie mit jemandem rechnen solle, mit einem Gast.
Ja, rief er durch den Sägelärm hindurch, aber Mutter soll sich deswegen keine grauen Haare wachsen lassen. Wenn er kommt, kommt er, wenn nicht, dann eben nicht.
Und damit seine Mutter nicht nachfragen konnte, fragte er seinerseits rasch, was mit Gottliebs Hunden geschehen sei.
Was für Hunde, rief seine Mutter auf Deutsch zurück.
Madzar hörte mit dem Sägen auf, in solchen Momenten ratterte nur das Laufband.
Er hatte doch zwei große Hunde, oder nicht.
Woher soll ich denn wissen, was er mit ihnen gemacht hat.
Und so getraute sie sich nicht zu fragen, wen sie erwarteten, sie stand aber noch lange schweigend in der Tür der Werkstatt, wo ihr Sohn umständlich die Maße kontrollierte, immer wieder neu markierte, dann das Scheit unter die Säge schob.
Ihr Sohn mochte es nicht, wenn sie, was selten vorkam, deutsch sprach.
Bestimmt hat Mutter selbst die beiden Hunde umgebracht, sagte Madzar später laut, schon lange hatte er das wissen wollen.
Was für Hunde, mein Junge, rief seine Mutter diesmal auf Ungarisch zurück.
Bei unangenehmen Themen zog sie es vor, in der fremden Sprache zu sprechen.
Unsere beiden großen weißen Hunde, die Komondore, die meine ich, sagte Madzar so beiläufig, als interessiere ihn die Sache nicht wirklich und er würde die Antwort vielleicht gar nicht hören. Er blickte auf gar keinen Fall von seiner Arbeit auf, manchmal gelang es ihm tatsächlich, seine Mutter mit solchen durchsichtigen kleinen Tricks zu täuschen.
Ach, mein Junge, wie lange ist das schon her.
Jetzt ratterte eine Zeitlang wieder nur das Laufband. Sie schwiegen eine ziemliche Weile, aber wie sie den kräftigen Rücken ihres Sohnes betrachtete, der gerade die Schnittfläche kontrollierte, wusste sie, dass sie seine Frage direkt beantworten musste, wenn sie nicht weggeschickt werden wollte, weil er sich über sie ärgerte.
Zuerst habe ich nur den einen totgeschlagen, die Hündin, antwortete sie.
Und warum, wenn ich fragen darf.
Die Hündin war wilder. Ich schaffte es nicht mit ihnen, die hörten nur auf deinen Vater, mein Junge. Die waren an ihn gewöhnt, wie hätte ich mit ihnen leben sollen.
Es wäre doch besser gewesen zu schweigen.
Die bloße Erwähnung von Bellardis Namen löste bei seiner Mutter jeweils eine Aufregung aus, die Madzar im Interesse seiner Ruhe nicht riskieren durfte. Seine Mutter war womöglich noch verliebter in Bellardi als er. Schon als der ein kleines Kind gewesen war, hatte sie ihn behandelt, als wäre der Herr Jesus zu ihnen herabgestiegen, oder zumindest als wäre er es, der den kleinen Jungen mit dem Schulranzen zu ihnen schickte.
Bellardi und Montenuovo, das waren ja immerhin die ersten Familien von Mohács.
Er wusste, das war die Gelegenheit, es sich leichter zu machen, er würde nicht allein auf Bellardi warten müssen, und doch sprach er es nicht aus. Gleich am nächsten Tag begannen im Haus die stillen Vorbereitungen für den
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