Parallelgeschichten
außen mit so vielen hübschen kleinen Vergissmeinnicht vollgepinselt. Trotzdem scheuerte ihn Frau Madzar beim Großreinemachen im Frühjahr und Herbst gründlich. Seit sie allein war, benutzte sie nachts lieber einen Eimer aus blauer Emaille. Um in der großen Kälte nicht ins Freie hinauszumüssen. Sie hatte Angst, fürchtete sich vor jedem Schatten. Aber einen Hund wollte sie nicht mehr, von denen hatte sie schon genügend totschlagen müssen. Früher hatte der Eimer auf der Veranda gestanden, ein anderer, nicht dieser. Es schickte sich nicht, dass ein Mann das Plätschern einer Frau hörte. Ihr Mann hingegen hatte es sich nie nehmen lassen, selbst in der größten Winterkälte auf der Verandatreppe zu stehen und hinunterzupinkeln.
Ich habe es nie bereut, einen Ungarn geheiratet zu haben, aber das verzeihe ich euch beiden nicht.
Dass auch du auf meine Rosen pinkeln musst, dass der ganze Hof stinkt.
Ich verstehe nicht, dass die Ungarn ihren eigenen Gestank nicht riechen.
Seit der Erwähnung des Gasts lüftete sie dauernd, verfolgte jede kleine Fliege und noch unbarmherziger die Mücken. Abends sammelte sie die Eier vom Tag in einem besonderen Korb. Madzar irritierte dieser Eifer, diese knechtische Unterwürfigkeit vor dem wahrscheinlich herrschaftlichen Gast.
Was brauchte Mutter so viel vorzubereiten, aber er hielt sich zurück, sagte nichts. Überhaupt redeten sie wenig. Außer wenn seine Mutter den eingeübten Monolog hersagte, herrschte Totenstille in Haus und Hof. Höchstens die Sägemaschine kreischte. Er tat seiner Mutter mit diesem Gefühl unrecht. Seine wahren Gefühle zeigte er trotzdem nicht. Und aus Takt, nicht etwa aus Unaufmerksamkeit, redete Frau Madzar mit ihrem Sohn immer ein bisschen daneben, statt über die Dinge, von denen sie hätten reden sollen.
Es gibt sowieso nicht sehr viel, worüber eine Mutter mit ihrem erwachsenen Sohn sprechen kann.
Sie tat alles, um ihrem Sohn nicht wehzutun.
Vor nichts hatte sie größere Angst, als dass ihr Sohn endgültig wegging.
Er hatte es ja so eilig, dass er nicht einmal Gepäck mitgebracht hatte, er trug die Kleider seines Vaters.
Das sagte sie auch ganz vorsichtig, mein Junge, in den alten Kleidern deines Vaters, da wird man doch über dich lachen.
Aber eigentlich war sie von ihrem Sohn in diesen Kleidern verwirrt.
Da zahlst du in Budapest das teure Hotel, anstatt mit deinen feinen Kleidern nach Hause zu kommen.
Ich würde dir alles schön in Ordnung bringen.
Ach woher, Mutter, wer soll schon über mich lachen, ich kenne in der ganzen Stadt niemanden.
Die ganze Stadt weiß, dass du heimgekommen bist.
Wenigstens wenn du ausgehst, könntest du deine eigenen Kleider anziehen. Du denkst, du hast nicht deinem Vater nachgeschlagen. Der hat auch immer am falschen Ort gespart.
Ach Mutter, jetzt tratscht mir doch nicht die Ohren voll.
Wie ein einfacher Gewerbler, so siehst du in den Kleidern deines Vaters aus.
Ach Mutter, wie soll ich denn sonst aussehen.
Hier arbeitest du, und in Budapest bezahlst das teure Hotel. Dem Gottlieb sein großer Sohn hat in Amerika zwei Automobile. Ich habe nur Angst, dass du für nichts studiert hast. Auf diese Weise wirst du nie je was haben.
Was geht mich Gottliebs Junge an, Mutter.
Mit dem einen transportiert er die Ware, mit dem andern fährt er mit der Familie aufs Land.
Wie oft habe ich Euch schon gebeten, nicht in mein Leben hineinzureden.
Er konnte sich noch so anstrengen, sich für sein Gefühl noch so zusammennehmen, er vermochte seiner Mutter gegenüber keinen anderen Ton anzuschlagen.
Schweigt jetzt.
Mir sollst du nicht sagen, ich soll schweigen.
Ich weiß, was ich tue.
Ein paar Tage später wurde er gewahr, wie weit ihre heimlichen Vorbereitungen schon gediehen waren. Auch Frau Szemző wollte ihm nicht aus dem Kopf, und wenn er vor der Dämmerung mit dem Tagewerk fertig war, mit diesem Holz von heikler Farbe und empfindlicher Beschaffenheit arbeitete er nicht gern bei künstlichem Licht, das Lampenlicht verändert die Schatten, fühlte er sich plötzlich sehr allein. Es machte ihn hilflos, der Gedanke quälte ihn, dass er eigentlich gar nicht wissen konnte, was er tat.
Eine Art schweres Vorgefühl, wie mutterseelenallein er in Amerika sein würde, falls er es überhaupt dahin schaffte.
Obendrein rückte der Tag immer näher, an dem er diese Arbeit unterbrechen musste, um wieder in die Dobsinai-Straße zu fahren. Er befürchtete, dass auch das Haus nicht nach seinen Vorstellungen geraten würde.
Weitere Kostenlose Bücher