Parallelum - Der dunkle Beobachter (German Edition)
anzulügen, aber das kennst du ja schon von der Arbeit.«
»Ach, nun untertreib doch nicht, Eva! Sie kann nicht nur gut hören, nein, sie hört aus kilometerweiter Entfernung und kann Laute genau lokalisieren. Sie weiß ganz genau, wenn sie jemand anlügt, wenn sie genau danach fragt, und sie hat eine etwas seltenere Gabe, doch, wie ich finde, eine der besten: die Selbstheilung. Das war’s noch nicht, denn sie wird noch eine Gabe erhalten, das spüre ich«, sagt Marco.
Francesco bleibt ruhig. Er denkt anscheinend nach und wirkt konzentriert. Dann nickt er.
»Was ist?«, frage ich leise.
»Also ist der Mörder kein Mensch. Ich wusste es!«, antwortet er plötzlich. »Wer ist es? Kennen wir ihn? Wenn es jemand aus einem Paralleluniversum ist, dann gibt es ihn doch auch auf unserer Welt, oder? Natürlich ohne Fähigkeiten, doch wenn wir den Menschen finden, dessen Parali hier sein Unwesen treibt, könnte er uns helfen, ihn zu finden. Wer weiß schließlich besser, wo sich der Mörder versteckt, als der Mörder selbst – oder zumindest eine andere Version von ihm?«, schießt es plötzlich aus Francesco. Wie gesagt: Er hat schon immer ein Faible für Science-Fiction gehabt.
Marco nickt nur kurz. »Ja, in der Tat. Jeder Mensch hat einen Parali, doch wir wissen, dass der Mensch bereits tot ist …«, antwortet er etwas bedrückt.
»War auch der Mensch ein Mörder? Haben wir ihn gekannt oder ihn womöglich überführt?«, frage ich Marco.
Er zögert genau wie zuvor, als ich nach der Identität des Paralis gefragt habe.
»Das weiß ich nicht«, antwortet er nur.
Genau wie immer, wenn ich einen Verdächtigen befrage, der mir nicht die Wahrheit sagt, habe ich bei seiner Antwort ein eigenartiges Gefühl. Ich spüre genau, dass er lügt, doch das Gefühl ist anders als bei allen anderen, die ich je befragt habe: Es ist viel intensiver.
»Ich spüre genau, dass es eine Lüge ist. Ich weiß, du kennst die Identität des Paralis, und anscheinend kennen wir sein menschliches Ich. Warum willst du uns nicht verraten, um wen es sich handelt?«
Marco beugt sich zu mir vor. Sein Gesicht trägt einen besorgten Ausdruck. »Weil es euch womöglich sehr verletzen könnte«, sagt er schließlich.
Ich weiß genau, dass er nur mich meint und nicht Francesco. Es würde mich also sehr verletzen zu wissen, wer es ist. Was das zu bedeuten hat, verstehe ich nicht. Ich muss diesen Parali daran hindern, weiter Menschen umzubringen, doch wie soll ich das anstellen, wenn ich nicht weiß, mit wem ich es zu tun habe?
»Wir müssen das wissen. Wir werden schon damit fertig«, mischt sich Francesco ein.
Marco steht vom Sessel auf. Er läuft kurz auf und ab und streicht sich dabei durchs Haar. Warum macht ihm das so sehr zu schaffen? Kennt er ihn auch persönlich? Hat er dem Parali etwa nahegestanden?
»Na gut, ich schlage euch einen Deal vor«, setzt Marco an. »Eva, du wirst mit mir deine Fähigkeiten trainieren und lernen, sie in den Griff zu bekommen. Francesco, du wirst sie decken. Es darf keiner von der Polizei erfahren, wer Eva wirklich ist. Es werden viele Fragen gestellt werden, vor allem aufgrund ihrer ständigen Abwesenheit. Du musst dir eine Geschichte ausdenken und sie glaubwürdig verkaufen. Wenn ihr das tut, werde ich euch den Rest erzählen. Ihr werdet dann alles erfahren, was ich weiß, und mich alles fragen können, was ihr wissen wollt. Ich werde ehrlich antworten«, versichert er.
»Was ist mit Giovanni? Darf er davon erfahren?«, frage ich Marco.
Er scheint mit dieser Frage überhaupt nicht gerechnet zu haben, schüttelt dann nur den Kopf und antwortet: »Nein. Von dem solltest du dich lieber fernhalten.« Dann steht er auf und geht.
»Warum? Was soll das bedeuten, ich solle mich von ihm fernhalten? Er ist mein Freund, ich lebe mit ihm zusammen. Wie soll ich ihm erklären, wo ich mich die ganze Zeit über aufhalte?«, rufe ich ihm nach.
Marco dreht sich ruckartig um. »Eva, du musst deine Fähigkeiten trainieren, dann wirst du auf all deine Fragen eine Antwort haben«, erwidert er und verlässt das Zimmer.
Was sollte das denn jetzt? Warum soll Giovanni nichts erfahren? Wir sind schon lange zusammen, er wird das verstehen, genau wie Francesco auch.
»Was war gestern eigentlich mit dir und Giovanni los? Warum habt ihr euch gestritten?«, fragt Francesco. Wir sind jetzt allein im Wohnzimmer.
»Er war verärgert, weil ich ihn nicht angerufen habe. Ich war die ganze Nacht auf dem Revier, und er hat versucht, mich ein
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