Parallelum - Der dunkle Beobachter (German Edition)
mich an ihm ab.
»Alles in Ordnung?«, fragt er besorgt.
»Ja, mir wurde nur etwas schwindelig. Ich sollte wohl etwas frühstücken, bevor wir mit dem Training anfangen«, antworte ich beschwichtigend.
Er nickt und stützt mich ab, bis wir in der Wohnung sind. Dann bringt er mich bis zur Couch. Das Schwindelgefühl hat nachgelassen. »Wir sollten das Training verschieben«, sagt Marco, während er mir ein Glas Milch bringt.
»Nein, ich mach das schon. Es ist wichtig, keine Zeit zu verlieren. Mir geht’s wieder super.«
»Eva, hör auf damit! Du brauchst nicht jedem weismachen zu wollen, dass es dir blendend ginge. Ich weiß, dass du seit acht Nächten nicht schläfst und dir die Gaben schwer zu schaffen machen. Du brauchst mich nicht zu belügen.«
»Ich … mir geht es gut, und ich will das Training nicht verschieben. Denn ich muss die Gaben beherrschen, so schnell wie möglich«, schreie ich schon fast. Plötzlich durchfährt ein stechender Schmerz meinen Kopf. Ich zucke zusammen, lasse das Milchglas fallen und fasse mir mit beiden Händen an den Kopf. Aber ich kann einen lauten Schrei nicht unterdrücken, so stark ist der Schmerz.
»Was ist los, Eva?«, fragt Marco voller Schrecken.
Ich kann mich nicht mehr bewegen. Ein starker Druck bildet sich in meinem Kopf. Also presse ich meine Augen zusammen und fange an zu zittern. Marco versucht meine Hände zu nehmen, doch ich presse sie so stark an den Kopf, dass sie sich kaum davon trennen. Schweißperlen bilden sich an meiner Stirn. Plötzlich höre ich eigenartige Laute im Kopf. Der Druck lässt langsam nach. Ich höre verschiedene Stimmen, doch ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Marco ist es gelungen, meine Hände vom Kopf zu nehmen, und hält sie fest. Plötzlich höre ich seine Stimme in meinem Kopf: Sie erhält ihre Gabe, das muss es sein, sagt er, nein, denkt er. Ich höre seine Gedanken. Auch höre ich viele weitere Stimmen, kann sie jedoch nicht deutlich verstehen. Ich halte es nicht länger aus. »Ich kann nicht mehr! Bitte lass das aufhören!«, flehe ich Marco an.
»Was soll aufhören, Eva?«
»Die Stimmen sollen aufhören!«, schreie ich und reiße meine Augen auf.
Marco scheint überfordert zu sein und weiß nicht, was er tun soll. Der Schmerz und das Zittern haben aufgehört, doch die Stimmen dröhnen nach wie vor in meinem Kopf. Die einzige Stimme, die ich erkenne und verstehen kann, ist diejenige Marcos: »Konzertiere dich auf meine Stimme. Blende alle anderen aus. Konzentriere dich auf meine Stimme. Atme gleichmäßig, und blende alle anderen aus«, höre ich seine Gedanken.
Seine Stimme in meinem Kopf wirkt beruhigend. Sie wird immer lauter und deutlicher. Ich versuche mich nur auf seine Stimme zu konzentrieren und die anderen auszublenden. Dazu atme ich gleichmäßig ein und wieder aus. Ich presse seine Hände in die meinen. Marco hält meine Hände fester und schaut mir eindringlich in die Augen. Sein Blick ist starr, doch es gelingt ihm, mich zu beruhigen.
»Geht es langsam wieder?«, fragt er nach einiger Zeit.
Ich weiß nicht genau, wie lange wir schon hier sitzen, doch es fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Endlich werden die anderen Stimmen leise, nur noch diejenige Marcos höre ich laut und deutlich, bis auch diese immer leiser wird und dann vollkommen verschwindet. Ich fühle mich, als würde eine große Last von mir abfallen. Dann lockere ich meinen Griff an Marcos Händen, doch er hält sie weiterhin fest.
»Ist es vorbei?«, fragt Marco mit ruhiger Stimme.
Ich nicke, unfähig, auch nur einen Ton auszubringen. Wir bleiben noch eine Weile so sitzen, er hält weiterhin meine Hände und mustert mich. Marco scheint nur auf eine weitere Attacke zu warten – zum Glück vergeblich, ich höre nichts außer seiner gleichmäßigen Atmung.
»Wir sollten das Training vielleicht doch verschieben«, bitte ich mit brüchiger Stimme, und er lächelt. »Endlich wirst du vernünftig«, lobt er und lässt meine Hände langsam los. Er steht dann auf und geht in die Küche. Mit einem Glas Wasser und Küchentüchern kehrt er zurück. »Hier, trink, das wird dir guttun«, sagt er und reicht mir das Glas. Dann wischt er die Milch auf und sammelt die Glasscherben ein.
»Tut mir leid wegen des Glases«, entschuldige ich mich.
»Ach, in letzter Zeit geht mir ständig was kaputt, da macht ein Glas mehr oder weniger nicht viel aus«, sagt er locker und lächelt mich an.
Den Rest des Tages habe ich keinen Anfall mehr gehabt. Ich liege schon
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