Parallelum - Der dunkle Beobachter (German Edition)
zu ihrem Schutz. Nur äußerst vertrauenswürdige Wächter oder Begleiter werden sozusagen befördert und können dem Rat begegnen und deren Vermittler sein. Ich hatte noch nicht diese Ehre. Anscheinend habe ich noch nicht lang genug nach deren Pfeife getanzt, doch jetzt ist es sowieso egal.«
»Wie lange bist du denn schon Begleiter?«, frage ich etwas verlegen und stelle fest, dass ich so gut wie nichts über Marco weiß.
»Zu lange«, antwortet er.
Da kommen Angela und Alberto wieder ins Wohnzimmer. Angela stellt ein Tablett mit fünf Tassen auf den Esstisch.
»Ich werde Stella auch einen bringen, bin gleich wieder da«, sagt Angela und verlässt mit einer Tasse den Raum.
Alberto mustert Marco und mich genau. »Was ist denn los mit euch?«, fragt er dann.
Marco schüttelt den Kopf. »Nichts, wir sind bloß geschafft. Es ist wirklich viel passiert, und wir hatten noch keine freie Minute, um das alles zu verarbeiten«, sagt er schließlich.
Ich nicke nur, um ihm zuzustimmen, und Alberto scheint skeptisch, doch er fragt nicht weiter nach.
»Alberto, weiß Angela etwa von dir? Ich meine, weiß sie, dass du ein Wächter werden solltest und diese Gabe hast?«, frage ich.
Alberto nickt. »Ja, ich habe ihr alles erzählt«, antwortet er kurz.
»Wieso? Hattest du keine Angst, es würde sie verschrecken oder verunsichern, oder sie würde sich schuldig fühlen, weil du es wegen ihr abgelehnt hast? Was, wenn sie es weitererzählt hätte?«
»Eine Beziehung beruht auf Ehrlichkeit und Vertrauen. Das ist die Basis einer jeden gesunden und echten Beziehung. Ich war mir sicher, dass Angela und ich so weit waren«, antwortet er voller Überzeugung.
Wir bleiben einige Stunden im Wohnzimmer. Ich laufe auf und ab, bin nervös.
»Wie lange dauert das denn noch?«, frage ich ungeduldig.
»Leute, kommt schnell! Stella hat etwas gefunden!«, ruft Angela aus dem Flur.
Ich fahre sofort hoch und renne ins Büro. An der Wand sehe ich links das 3-D-Modell meines Vaters und rechts ein Satellitenbild, das ihn zeigt, während er einen älteren, blutenden Mann an den Schultern packt. Die Straße ist mir unbekannt. Das muss wohl der letzte Tatort sein, von dem mir Francesco erzählt hat. Mein letzter Funken Hoffnung verblasst beim Anblick dieses Bildes. Das ist der Beweis, dass mein Vater doch der Täter ist.
Marco steht neben mir und greift nach meiner Hand.
»Ich weiß jetzt, wo wir ihn finden!«, sagt Stella triumphierend. »Ich habe einen Algorithmus anhand der Daten, die wir bisher haben, erstellt. So habe ich alle Tatzeiten und Tatorte analysiert und kann mit großer Sicherheit sagen, wo und wann er das nächste Mal zuschlagen wird.«
Es ist also sicher: Ich werde meinen Vater wiedersehen. Einerseits bin ich sehr glücklich und erleichtert darüber, doch ich habe Angst vor dem, was mich erwartet.
»Eine Sache noch«, setzt Stella an. Sie wechselt zum nächsten Bild. Mein Vater ist nicht mehr da, stattdessen liegt das Opfer blutüberströmt auf dem Asphalt. Über ihm steht wieder die dunkle Gestalt, die auch beim letzten Tatort aufgetaucht ist. »Da ist wieder dieser Beobachter mit dem Ledermantel. Er war an jedem Tatort, kurz nachdem die Tat begangen wurde«, fügt sie hinzu.
Marco drückt meine Hand, und ich starre auf das Bild. Wer ist dieser Mann? Marco glaubt, er gehöre zum Rat, doch ich bin mir da nicht so sicher. Er hat etwas Vertrautes an sich. Der Rat weiß nicht, wo sich mein Vater aufhält, deshalb brauchen sie mich. Doch dieser Mann weiß genau, wo was passiert und er zu sein hat, nur woher?
Kapitel 17
Stellas Berechnungen zufolge wird mein Vater morgen um sechs Uhr früh auf der Via Collinense sein. Als ich den Namen der Straße gehört habe, hat mein Herz kurz ausgesetzt: Genau dort wurde mein Vater – oder sein Parali – vor fünf Jahren gefunden und schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Der Ort liegt außerhalb des Zentrums und ist nicht sehr belebt, was zum Muster passt. Wenn Stella recht hat, werde ich meinen Vater spätestens in zwölf Stunden wiedersehen an dem Ort, wo das alles angefangen hat. Ich habe Angst. Die ganze Zeit über habe ich gedacht, es sein ein Irrtum, mein Vater würde niemals so etwas tun. Doch die Satellitenbilder habe mir die Wahrheit gezeigt. Er ist der Täter, und es wird wohl meine Aufgabe sein, ihn aufzuhalten. Doch ich werde ihn nicht für den Rat töten. Ich werde es auch nicht zulassen, dass ihm weiterhin Schlimmes widerfährt.
»Wie fühlst du dich?«, fragt
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