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Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Titel: Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gregory Browne
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Cassie. »Die Heizung steht schon auf 25 Grad.«
    »Tatsächlich?«
    »Seit wir sie in diesen Raum gebracht haben, zittert und zuckt sie, als hätte sie Ameisen in den Adern. Wenn Sie mich fragen, haben wir es mit einem akuten Fall von RLS zu tun.« Wie die meisten Medizinstudenten war Cassie stets darauf bedacht, ihre diagnostischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, auch wenn ihre Trefferquote ein wenig zu wünschen übrig ließ.
    Blackburn sagte: »Restless-Legs-Syndrom, das ist das mit den ruhelosen Beinen, oder?«
    Sie nickte. »Es handelt sich um eine neurologische Bewegungsstörung. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen.«
    »Ich glaube, meine erste Frau hatte das. Hat mich verrückt gemacht, dieses Treten und Zucken mitten in der Nacht. Ich habe immer gesagt, sie sei vom Teufel besessen. So ähnlich war es dann auch.«
    Beide sahen ihn an. Blackburn zuckte die Achseln. »Wollte nur ein bisschen Konversation betreiben.«
    Tolan richtete den Blick wieder auf Jane X. Sie war um einiges kleiner, als er gedacht hatte.
    Obwohl psychotische Raserei – wenn es das tatsächlich gewesen war – den Betroffenen häufig Kräfte verlieh, die in keinerlei Verhältnis zu ihrer Körpergröße standen, hatte Tolan nach Blackburns Beschreibung eine zweite Cassie erwartet. Eine Amazone, keine Elfe. Er schätzte Jane X auf 1,55 Meter bei einem Gewicht von etwa 50 Kilo.
    Tolan schien es, als sei er, abgesehen von Lisa und natürlich Cassie, seit jeher von außergewöhnlich vielen zierlichen Frauen umgeben: seine Mutter und seine beiden Schwestern, einige der Krankenschwestern – und Abby, die ihre Kleidung oft in der Kinderabteilung von Macy's gekauft hatte, weil ihr die Sachen einfach besser passten.
    Mit seiner Größe von 1,89 Meter hatte er sie geradezu überragt. Manche Leute fanden, dass sie ein merkwürdiges Paar abgaben, wie ein Komikerduo im Varieté. Doch er hatte ihren zarten Körper geliebt, die sanften Rundungen, die so selbstverständlich mit seinem Körper harmonierten.
    Sich an Lisas kräftigere, muskulösere Statur zu gewöhnen, hatte eine Weile gedauert. Manchmal, so wie an diesem Morgen, als sie miteinander geschlafen hatten, sehnte er sich nach diesen zarten, sanften Rundungen und stellte sie sich sogar vor. Wenn er dann die Augen öffnete und Lisa ihn ansah, war das Gefühl von Verlust, das ihn nun schon so lange quälte, so niederschmetternd wie ein Schlag gegen die Brust.
    Plötzlich wurde Tolan bewusst, dass Cassie etwas sagte. Ihr Wortschwall zog an ihm vorbei, ohne dass er ihn wirklich mitbekam.
    »Verzeihung«, sagte er. »Was haben Sie gesagt?«
    »Ich habe gehört, sie sei etwas schwierig. Möchten Sie, dass ich mit hineingehe?«
    Tolan schüttelte den Kopf. »Ich komme schon zurecht. Aber bleiben Sie in Bereitschaft.« Er wandte sich an Blackburn. »Erwarten Sie nicht zu viel. Es kann eine Weile dauern, bis sie sich mir öffnet.«
    »Ich habe Vertrauen in Sie, Doc. Ich weiß genau, dass Sie mich nicht hängenlassen.«
    Darauf hatte Tolan keine Antwort.
    9
    Als er den Raum betrat, rührte sie sich nicht. Ließ nicht einmal erkennen, ob sie seine Anwesenheit überhaupt bemerkte. Sie zitterte nicht mehr, hatte ihm aber immer noch den Rücken zugewandt und lag zusammengerollt auf dem Bett.
    Aus einer Ecke zog er einen Stuhl heran und setzte sich neben sie. Als er ihre mageren, hochgezogenen Schultern aus der Nähe betrachtete, überkam ihn ein eigenartiges Gefühl. Ein Gefühl – wie sollte er es beschreiben? Von Vertrautheit. Was natürlich jeglicher Grundlage entbehrte. Soweit er sich entsann, hatte er die Frau nie zuvor gesehen. Doch das Gefühl verschwand einfach nicht, es war wie eine Erinnerung, die auf der Seele lastet, aber nicht vollständig ins Bewusstsein dringt.
    Tolan beobachtete die Frau für eine Weile und registrierte, wie sich ihr Rücken beim Atmen kaum merklich hob und senkte. Er fragte sich, woher das Gefühl kam. Er verdrängte es, so gut er konnte, und sagte sanft: »Guten Morgen.«
    Ihre Schultern strafften sich. Er hatte sie erschreckt. »Ganz ruhig, ich möchte mich nur mit Ihnen unterhalten.« Er machte eine Pause. »Ich bin Doktor Tolan. Können Sie mir sagen, wie Sie heißen?«
    Ihrer zarten Gestalt entfuhr ein Geräusch wie das Wimmern eines Tieres. Verängstigt. Von Schmerz verzerrt. Es schien jedoch keine Reaktion auf seine Frage zu sein, sondern eine unwillkürliche Äußerung, als müsse sie gegen einen Alptraum ankämpfen. Tolan war sich

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