Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Titel: Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gregory Browne
Vom Netzwerk:
Doch das musste er ihr nicht unter die Nase reiben.
    Vorsichtig breitete er die Fotos aus. Er betrachtete das Gesicht seiner verstorbenen Frau und spürte, wie sich sein Brustkorb zusammenzog. Das war die wirkliche Abby, keine Halluzination.
    Sie war so schön.
    Ihre braune Haut. Ihr dunkles, lockiges Haar. Die funkelnden braunen Augen. Das verschmitzte Lächeln, das sie Tolan zuwarf, wann immer er die Kamera auf sie richtete. Ihr weicher Körper, den sie ihm so bedingungslos, so bereitwillig und unbefangen darbot.
    Hatte sie ihn auch jemand anderem dargeboten? Diese Frage würde wohl für immer unbeantwortet bleiben.
    In ihrer Stimme klang ganz leicht der Südstaaten-Singsang mit. Mit ihren Albernheiten brachte sie ihn jedes Mal zum Lachen, sie ließen sie noch zehnmal schöner erscheinen.
    Warum hatte er zugelassen, dass er in jener Nacht so wütend auf sie war? Warum hatte er ihr nicht geglaubt?
    Und warum konnte er sie jetzt nicht loslassen?
    Er wusste, dass es genau darum bei der Begegnung mit Jane X gegangen war. Er hatte es geduldet, dass seine Schuldgefühle gegenüber Abby so übermächtig wurden, dass er sie nun – an ihrem ersten Todestag – im Gesicht einer Patientin sah. Es ging ihm nicht besser, wie Lisa versprochen hatte, sondern schlechter. Viel schlechter.
    Tief in seinem Kopf hörte er Abbys Stimme: Schlaf, Michael. Schlaf wird dich alles vergessen lassen.
    Er sah noch einen Moment lang auf die Fotos und seufzte. Dann steckte er sie wieder in den Umschlag und legte ihn in die Schublade zurück. Anschließend lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Nur für zwanzig Minuten. Zwanzig selige Minuten.
    Als Tolan eindämmerte, noch in die Erinnerung an Abby versunken, klingelte sein Mobiltelefon. Er stöhnte und nahm den Anruf entgegen. »Ja bitte?«
    »Dr. Tolan?«
    Er öffnete die Augen. Spürte etwas Kleines, Hässliches durch seinen Bauch flattern. »Wer ist da?«
    Leises Lachen. »Haben Sie mich so schnell vergessen?«
    Der Anrufer von heute Morgen. Der Flüsterer.
    Tolan richtete sich auf und sprach mit ruhiger, gelassener Stimme: »Hören Sie, ich weiß, Sie versuchen, mir Angst zu machen, doch für mich ist das nichts Neues. Also, warum lassen wir nicht dieses Theater und reden über –«
    »Doktor, ich bitte Sie. Angst ist solch ein banales Gefühl, oder nicht? Mir liegt nichts daran, Ihnen oder sonst jemandem Angst zu machen.«
    »Was wollen Sie dann?«
    »Es geht nicht darum, was ich will, sondern darum, was ich zu tun gedenke. Und ich glaube, das habe ich Ihnen schon gesagt. Aber bevor Sie das Ganze hier für ein Quiz mit zwanzig Fragen halten, lassen Sie mich nur eine einzige an Sie richten: Gibt es in Ihrer Reichweite einen Computer?«
    Die Frage irritierte Tolan. »Was?«
    »Sie wissen doch, was ein Computer ist, oder? Ein Pornograph wie Sie kennt sich im Internet sicher ziemlich gut aus.«
    Tolan wusste nicht, was der Anrufer damit meinte, doch es reichte ihm. Er war ganz und gar nicht in der Stimmung, den verständnisvollen Seelenklempner zu spielen.
    »Tun Sie sich selbst einen Gefallen und nehmen Sie Hilfe in Anspruch«, sagte er. Dann legte er auf.
    13
    Tolan fühlte, wie Wut in ihm aufstieg. Selbst wenn der Anrufer ihm tatsächlich keine Angst machen wollte – was selbstverständlich Unsinn war –, hätte ihm die Sache dennoch Angst gemacht. Er konnte sich nicht erklären, warum. So etwas war doch nichts Neues für ihn!
    Es war nur ein Flüstern gewesen, doch irgendwie wirkte die Stimme des Mannes bedrohlich. Eindringlich. Hatte er sie schon einmal gehört?
    Er dachte wieder an Bobby Fremont und fragte sich, ob es ihm gelungen war, ein Telefon in die Klinik zu schmuggeln. Über den Festnetzanschluss wählte Tolan die Nummer des Sicherheitsdienstes. In dem Moment klingelte sein Mobiltelefon erneut. Er legte auf und wollte die Nummer des Anrufers auf dem Display überprüfen. Nichts.
    Ihm wurde wieder flau. Er wartete einen Augenblick lang und drückte dann die Taste.
    »Eins muss man Ihnen lassen, Sie sind hartnäckig. Was wollen Sie?«
    »Um Entschuldigung bitten, Doktor. Sie einen Pornographen zu nennen, war nicht die feine Art, selbst wenn diese Bezeichnung noch so treffend ist.«
    »Das klingt nicht gerade nach einer Entschuldigung.«
    »Ich fürchte, mehr habe ich nicht dazu zu sagen.«
    »Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas«, begann Tolan so ruhig wie möglich. »Warum kommen Sie nicht hierher in die Klinik, damit wir uns unterhalten können?«
    Erneutes Lachen.

Weitere Kostenlose Bücher