Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme
Snickers rumorte ein paarmal und lag Blackburn anschließend noch schwerer im Magen.
Vincent. Großer Gott!
Der Mann, den sie Vincent nannten, war ein Serientäter und hatte nicht nur die Abteilung, sondern die ganze Stadt sieben Monate lang in Atem gehalten. Blackburn hatte nur am Rande mit dem Fall zu tun, doch er fühlte sich ebenso betroffen wie alle anderen.
Innerhalb dieser sieben Monate wurden acht Einwohner von Bayside County abgeschlachtet. Die Leichen wurden zerstückelt und neu zusammengesetzt, so als arrangiere der Killer die Körperteile zu einer Art Kunstwerk. Jedem der Opfer wurde das linke Ohr abgetrennt, und keins der Ohren wurde gefunden.
Nachdem dieses Detail an die Presse durchgesickert war, nannte man den Täter van Gogh. Bei der Task Force, die für den Fall zuständig war, hieß er schon bald Vincent.
Die Fahndung wurde großflächig angelegt, überschritt beinahe die Kapazitäten des Departments und führte schließlich zum frühzeitigen Ruhestand des Task-Force-Leiters, der hart an der Grenze zum Alkoholiker und der Sache von Anfang an nicht gewachsen gewesen war.
Und sie hatten nichts. Keine Spur. Keine Verdächtigen. Keine DNA. Keine Verhaftung.
Das FBI wurde hinzugezogen, konnte aber nicht mehr beitragen als das allgemeine Täterprofil eines Unbekannten, das sich für die Untersuchung als nutzlos erwies. Doch plötzlich, kurz nach Opfer Nummer acht, verschwand Vincent von der Bildfläche. Seitdem hatte man nichts mehr von ihm gehört. Es vergingen einige Wochen, ein Jahr, und trotz des frustrierenden Verlaufs der Untersuchung war der kollektive Seufzer mindestens drei Countys weit zu hören. Wohin auch immer er verschwunden war, alle flehten zum Himmel, er möge nie zurückkehren.
Offensichtlich ein frommer Wunsch.
Blackburn starrte auf das Ohr. Wenn Mats recht hatte, und Vincent war tatsächlich wieder da, war es ein ziemlich gravierender Fehler, eine potenzielle Zeugin bei Tolan unterzubringen.
Tolans Frau war Vincents achtes Opfer gewesen.
»Sag mir, dass das ein Scherz ist«, sagte Blackburn. »Dass du mich nur ein bisschen auf den Arm nehmen willst.«
»Glaub mir, ich wünschte, es wäre so.«
»Bist du sicher, dass es sich nicht nur um einen dilettantischen Nachahmer handelt?«
»Ich bin sicher«, antwortete Mats.
Er brachte das Ohr in seine ursprüngliche Position und griff nach Janovics Unterlippe.
Bei Mordfällen, insbesondere im Zusammenhang mit Serientätern, versuchen Ermittler stets, mindestens ein Detail vor der Presse geheim zu halten. Ein solches Detail trägt dazu bei, die Spreu vom Weizen zu trennen und falsche Geständnisse zu entlarven, denn man geht davon aus, dass nur der Täter alle Einzelheiten kennt.
Bei den Van-Gogh-Morden hinterließ der Täter eine ganz besondere Visitenkarte, und nur wenige innerhalb des Departments waren diesbezüglich eingeweiht. Selbst Blackburn hatte erst kürzlich davon erfahren.
Er beobachtete, wie Mats die Unterlippe des Toten nach unten zog und das rosafarbene Fleisch entblößte. Dort befand sich ein kleines Brandzeichen, laut Pathologie hervorgerufen durch ein batteriebetriebenes Verödungsgerät, das normalerweise in der Medizin, aber auch von Anglern benutzt wurde. Jeder, der ein E-Mail-Postfach hatte oder im Internet surfte, hatte dieses Zeichen schon tausendmal gesehen:
;)
Blackburn starrte darauf.
»Scheiße«, sagte er. »Jetzt ist aber offiziell die Kacke am Dampfen.«
12
Tolan wusste nicht genau, was in EZ3 geschehen war, er wusste nur, dass er es nicht so einfach abtun konnte.
Nachdem er Cassie beauftragt hatte, Jane X Nummer 314 im Auge zu behalten, ging er zur Pflegestation und suchte Lisa. Sie hatte gerade ihre Schicht begonnen und bereitete sich auf die morgendliche Übergabe vor. Sie trug ihren blauen Kittel, und in der Hand hatte sie einen Starbucks-Becher, der so groß war, als enthielte er eine halbe Gallone Kaffee. Sie sah ihn an und fragte: »Was ist los?«
Tolan schüttelte den Kopf. »Nichts, mir geht es gut.«
»Du siehst aber gar nicht gut aus.«
»Ich hatte nur eine kurze Nacht, schon vergessen? Kannst du mir den Gefallen tun und meine Gruppensitzung heute Morgen absagen?«
»Michael, was –«
»Sag sie einfach ab, okay?«
Er merkte selbst, dass er zu schroff gewesen war, und fügte etwas sanfter hinzu: »Es tut mir leid. Es ist alles in Ordnung, aber ich bin mit dieser neuen Patientin beschäftigt und brauche ein wenig Zeit zum Nachdenken.«
Lisa musterte ihn skeptisch und
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