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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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anderem Namen in einen anderen Ordner verrutscht. Man weiß nie, so was passiert. Das kommt in den besten Familien vor, haha.«
    Ben lacht nicht mit, schaut an mir vorbei. Hinten bei den Frauenparkplätzen öffnet sich eine automatische Tür. Jetzt kommt die ganze Bagage angelaufen. Ein Pulk von dreißig Leuten (alle Cäsar bis Emil) drängt zu ihren Wagen. Bei Bombendrohung sollte man das Gebäude eigentlich durch das Erdgeschoss verlassen. Eine Frau-wie-jede-andere (D) ruft uns »Bombendrohung« zu und schaut wirklich vielsagend. Ich nicke angedeutet, um wenigstens eine fiktive Wertschätzung ihr gegenüber herzustellen. Ich sehe wieder zu Ben, wir stehen vor meinem Wagen. Er wirkt so niedergeschlagen. Also balle ich meine Fäuste und rufe mit spitzer, aber gedämpfter Stimme: »Bombendrohung! Bombendrohung! Keine Panik. Alles im Griff. Ist zufällig eine Schmuckdesignerin im Gebäude?« Ich lache meinen eigenen Scherz an. Er stimmt nur verhalten ein. Alles hat seine Zeit und seinen Ort. Aber ein bisschen grinst er. Ein höflicher Bursche.
    Ich angle einen Schlüsselbund aus meinem Mantel und sage: »Ich bin bis auf Weiteres meiner Tätigkeit entbunden!«
    Er hebt den Kopf und starrt mich an. »Was?«
    »Du hast richtig gehört. Es gibt da ein kleines Problem, in der, na ja, nennen wir es firmeninternen Kommunikation. Ich kann dir jetzt nicht allzu viel darüber berichten. Tut mir echt leid mit deiner verlorenen Datei.«
    Völlig verdattert stammelt Ben irgendwas schon wieder Höfliches und irgendwie aufrichtig Mitfühlendes, und ich muss immer wegsehen, wenn mir jemand was Nettes sagt, und starre rüber zu meinem Wagen. Ich bemerke einen Kratzer an der linken Seite, der sich von der Kühlerhaube über beide Türen bis hinten zum Kofferraum zieht. Schön mit dem Schlüssel drüber. Das war in den Neunzigern mal Mode. Aber jetzt?
    »Scheiße«, rufe ich entsetzt und folge mit dem Kopf der Linie des Kratzers.
    »Ja, schöne Scheiße«, murmelt Ben und meint was anderes. »Kannst du mir nicht erzählen, um was es genau geht?«
    »Später, Ben, später. Scheiße, was für eine Sauerei! Wann ist das denn passiert?«
    Und er weiß gerade gar nichts mehr. Ich muss ihn noch mal ein bisschen mit einbeziehen, also fasele ich: »Das Blöde ist, ich weiß auch nicht so recht, was ich glauben soll.«
    Und Ben meint: »Hä, wie meinst du das?«
    Und ich sage: »Schöne Scheiße, da kann ich die ganze Seite neu lackieren lassen!« Ich weise in die Richtung.
    Ben macht einen Schritt zu mir, mustert den Kratzerschaden und brummelt: »Na, viel Spaß.« Dann dreht er sich seine weißen Kopfhörer wieder ins Ohr und sagt: »Okay, bis später, habe ARBEIT NACHZUHOLEN, elender Mist.« Er drückt auf einem flunder-flachen Quader auf Play. Er stapft davon.
    Ich möchte ihm eigentlich noch sagen, dass das A. L. I.-Projekt womöglich erst mal on hold ist und er sich keine Mühe machen braucht. Aber ich rufe ihm nach: »Bennie, denk immer daran, nur Amöben haben niemals einen schlechten Tag.« Er hört mich nicht mehr.
    Ich habe Ben mal gefragt, für welche Summe er Selbstmord begehen würde. Er hat tatsächlich kurz darüber nachgedacht. Würde jeder.
    Ich drücke die automatische Türverriegelung. Klack-klack. Den roten Revolver-Penis neben meinem Namensschild an der Wand sehe ich heute hoffentlich zum letzten Mal. Ich werfe eine Tablette ein. Sage mir: Ich komm schon klar. Dann sitze ich nur so da. Wie lange, weiß ich nicht.
    Da bin ich wieder. Ich fahre die Fenster runter, als ich aus der Tiefgarage brettere, durch die Serpentinen der drei Stockwerke aufwärts. Ein rotes Warnlämpchen leuchtet am Armaturenbrett auf. Von dessen Existenz wusste ich noch nicht mal. Hat die Form eines Karzinoms.
    Meine letzte Amtshandlung heute ist, den Türken an der Garagenausfahrt verabschiedend zu grüßen. Der Typ in seinem Glashäuschen winkt am Tag gut und gerne fünfzehnhundert Autofahrern beim Rein- und Rausfahren zu. Bombastische Leistung. Hübscher Schnurrbart.
    Die Luft ist stechend kalt, Schneesturmwolken ballen sich zusammen. Durch die offenen Fenster weht ein beißender Wind. Ich werde die Fenster bis daheim nicht mehr schließen. Und wenn es mir die Hirnhaut vereist. Ich werde die Fenster nicht schließen.
    Erst an der fünften Ampel endet meine grüne Welle. Ich stehe da und fuchtele am Radio rum. Das war nun mein Montag. Die Ampel springt auf Grün. Der Pisser vor mir legt erst jetzt den Gang ein. Ich fahre an dem eckigen Turm der Kirche

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