Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
Vom Netzwerk:
stecken können, wenn ich schon nicht in dich rein darf. Muss man alles immer erst sagen? Ich taxiere sie. Nach der Ejakulation ist sie deutlich hässlicher als davor. Für die in dunkelblau eintätowierte Bärentatze über ihrer rechten Titte könnte ich ihr eine reinschlagen. Wie bescheuert muss man sein! Sie hebt ihren Oberkörper, dreht ihren Kopf, als suche sie nach etwas zum Abwischen. Ich bleibe unverändert auf ihr sitzen, gebe nicht nach, beuge mich nach vorn und schmiere ihr eine. Linke Wange. Nicht unfest. Sie fällt zurück auf das Kissen. Und erwartungsgemäß versetzt sie das in Panik. Nicht zu unrecht, möchte ich sagen. Ich greife ihr an den Hals. Lasse davon aber gleich wieder ab. Ihre Augen huschen hin und her. Ausdrucksvariationen umspielen ihr Gesicht. Der rasche Wandel von Überraschung in Schock, in Angst bis zur Empörung. Sie sucht nach Worten. Ihre Hände machen Kratzbewegungen in der Luft. Und schon nach einigen Augenblicken vermittelt mir ihre Miene, dass sie jetzt eher verblüfft als entsetzt ist. Dass sie im Unerwarteten etwas Unschickliches sieht. Sie fährt mich an, was das soll. Ich throne unverändert auf ihrer Hüfte und sehe auf sie herab. Schweige.Halte mich zurück. Mache nicht weiter. Warum, weiß ich nicht. Jetzt etwas beruhigter, fängt sie an, mich vorwurfsvoll zu belehren, so was müsse man doch absprechen. Absprechen?
Absprechen
? Dass ich nicht lache. Ja, das mit der Absprache, ein weitverbreiteter Denkfehler. Ich starre sie an, seufze und zucke die Schultern. Wenn ich könnte, wie ich wollte! (Würde ich dir mit der Faust das Bewusstsein aus dem Leib prügeln, Liebes.) Wenn ich wollte, könnte ich ihr sagen, dass ich mein Leben lang immer nur nach Dingen suche, für die es sich zu leben lohnt. Aber was würde das bringen? Sie entspannt sich zusehends. Ich schweige noch immer. Das Unterlassen jeglicher Stellungnahme scheint für sie eine stichhaltige Begründung meines Verhaltens zu sein. Irgendwie fand sie das doch nicht so schlimm, habe ich das Gefühl. Hatte ich doch recht. Sie fand es interessant, genoss es. Mal was anderes. Speziell, aber nicht ernsthaft bedrohlich. Was könnten ein leichtlebiges Flittchen wie sie auch die breit gefächerten sexuellen Bedürfnisse der Menschen noch ernstlich überraschen? Sie hat doch bestimmt schon mit Männern zu schlafen begonnen, nachdem ihre erste Blutung eingesetzt hatte. Raus mit ihr. Ich sehe sie auf einmal an wie eine Aussätzige. Ich werde das andere Bett nehmen, um heute darin zu schlafen.
    Was ist das? Sie legt sich hin, macht Anstalten zu bleiben!
    Raus mit ihr. Ich kriege es irgendwie hin. Gebe ihr die Handynummer vom Weihnachtsmann.

28
    Es ist später Vormittag, als ich schon längst wieder über der Arbeit brüte.
    Meinem Magen? Geht’s momentan ganz gut, danke.
    Es klopft, das wird mein nächstes Interview sein.
    Noch
jemanden feuern, denke ich mir. Ich rufe »Ja, bitte«, mit grimmigem Unterton, und sehe nicht auf, als die Tür sich öffnet.
    »Hey, Saftsack!«, höre ich eine Stimme sagen. Mein Blick hebt sich. Ben steht mit ausgebreiteten Armen in der Tür.
    Überrascht stemme ich sofort meine Hände auf die Armlehnen, um aufzustehen. Er bedeutet mir mit ausgestreckter Hand und erhobenem Zeigefinger, sitzen zu bleiben und gut zuzuhören.
    »Ich habe einen neuen. Achtung! Was hältst du von dem?« Er hebt den ankündigenden Zeigefinger noch etwas weiter und sagt mit erhobener Stimme:
»Da krie’ch so’nen Hallls!«
Dann starrt er mich mit dem gespielten Ernst des Witzboldes an. Ich wiege meinen Kopf, abschätzend, kann nicht kontern, da ich gerade nichts parat habe. Also meine ich: »Nicht schlecht, nicht schlecht. Der Punkt geht an dich! Kommt definitiv in die vorderen Ränge.« Wir lächeln uns an mit Zähnezeigen. Ein Beitrag aus unserer Rubrik »Dem Bodensatz der Gesellschaft aufs Maul geschaut«. Unsere Sammlung von Floskeln, derer sich Mitglieder bildungsferner Schichten häufig befleißigen und glauben, damit irgendwie beredt zu erscheinen. Asozialen-Erniedrigung als Ventil und Druckausgleich. Je verächtlicher, desto befreiender. Je derber, desto erleichternder. Wir dürfen das. Wir dürfen alles.
    Ich stehe auf, beiße in die Wunde auf der Innenseite meiner Unterlippe, bis es blutet, und lasse Ben wissen, dass es schön ist, dass er hier ist, während ich auf ihn zugehe, um ihn zu umarmen. »Wir rocken den Laden«, sage ich, mein Kinn über seiner Schulter, mein Mund voller Blut. Er wiederholt das, macht

Weitere Kostenlose Bücher