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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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nach jedem Wort einen Absatz und klopft mir dabei auf den Rücken.
    »Ja, das werden wir.«
    Und ich geb’s zu, ich freue mich echt.

29
    »Dein Anruf vorgestern hat mir klargemacht, welch verschlungene Komplexität und Durchtriebenheit in dir stecken«, sagt Ben am Abend, Stunden später, in der Lobby unseres Hotels
Siberian Palace
, Betonklotz außen, 1970er Atmosphäre innen, fünf Sterne. Ich gäbe drei.
    »Wie meinen?« Ich zeige auf eine Sitzecke, wir nehmen Platz.
    Körnig-trübes Licht.
    »Ich konnte es nicht fassen, als mir Lutz sagte, er hätte dich rausgeworfen.«
    »Ich hätte auch nicht gedacht, dass es so schnell geht. Die Sache ist aber noch nicht ganz durch. Lutz und Konsorten versuchen gerade mit allen Mitteln, einen Grund zu finden, mit dem sie meine Abfindungsklausel torpedieren können.«
    »Von wie viel reden wir?«
    »Diese Information würde dir weder Glück noch Vorteil verschaffen«, sage ich und mache eine angedeutete Verbeugung über die Getränkekarte hinweg.
    »Nun, dir aber auch keinen Nachteil. Sag schon.«
    »Eine einmalige Zahlung in Höhe von siebenhunderttausend.«
    Ben pfeift durch die Zähne. Wenn man es weiß, kann man erkennen, dass er beim Zuhören den Kopf immer ganz leicht schräg hält und unwillkürlich das linke Ohr vorstreckt. Er hört rechts schlechter, seit jemand an einem Silvesterabend einen brachial lauten Kracher direkt neben ihm zündete. Knalltrauma. Kortison, Verband, Schonung. Ist nie wieder ganz verheilt.
    »Meine Güte, wie hast du denn solch eine Deal-Option hingekriegt? Alle Achtung. Dann sieh mal zu, dass die Herrschaften auch zahlen. Was nimmst du?« Er gibt dem Kellner einen Wink.Die weiße Serviette über dessen angewinkeltem Arm lässt den Arm wie gebrochen wirken. Ben und ich bestellen dasselbe. Der Ober nickt wie über eine weise Entscheidung. Ich schiebe die Karte auf das Tischchen, rücke mich in meinem Sessel zurück und sage entspannt: »Aber nun zu dir. Ich bin wirklich froh über deine Entscheidung, mich zu unterstützen. Hat Lutz blöd geschaut, als du ihm eröffnet hast, dass du kündigst?«
    »Ich hab’s nicht persönlich gemacht. Mein Anwalt wickelt das ab. Ich bin sofort in den Flieger gestiegen, nachdem du mich angerufen hast.«
    Der mongolische Kellner rauscht mit einem Tablett voller bunter Cocktails heran. Der preiswerteste Cocktail hier kostet 19 Euro. Dafür hat der Drink eine halbe Orangenscheibe und eine halbe Ananasschnitte im Glasrand stecken und ein Schirmchen. Eine lohnende Investition. Der Ober serviert diskret unsere beiden Exemplare und entfernt sich mit tippelnden Rückwärtsschritten. Er sieht fast aus wie ein Eskimo, fällt mir auf. Ethnische Zugehörigkeit ist ein entscheidender Faktor in den Selbstmordstatistiken. Asiatische Länder sind äußerst suizidfreudig. Sogar wenn Japaner, Chinesen oder Koreaner bereits seit mehreren Generationen im Exil leben, spielen sie noch vorne mit. In den USA kommt Selbstmord bei Weißen doppelt so häufig vor wie bei Schwarzen, jedoch nur halb so oft wie bei Asiaten. Möchte man nicht glauben. Diese Asiaten. Ich schweife ab.
    Ben sagt: »Ich habe wirklich nicht gewusst, dass du Marischka so gut kennst. Wie hast du diesen Job klargemacht? Das ist ein echt dicker Fisch!«
    Ich hebe meine Schultern an, wir trinken von dem Cognac aus vorgewärmten Schwenkern. (Ich hoffe, er beseitigt den lästigen Nachgeschmack des Astrachan-Kaviars vom Mittagessen.) Ich bleibe eine Antwort schuldig.
    »Du bist ein verkapptes Genie.«
    »Sonst noch was, das ich bereits weiß?«
    »Meister der dubiosen Machenschaften.«
    »Wieso eigentlich
verkappt

    »Nein, ehrlich, du bist wirklich durchtrieben, ich fasse es nicht, dass du mir nichts davon erzählt hast. Eigentlich sollte ich sauer auf dich sein und nichts mehr mit dir zu tun haben wollen. Weißt du, da frag ich mich doch, was du sonst noch so alles treibst, im Stillen und Geheimen«, sagt er und stützt sich mit einem Ellbogen auf die Lehne.
    »Du würdest dich wundern!« Wir lachen.
    »Ich glaube dir ab sofort gar nichts mehr.«
    »Richtig so, glaube immer nur, was du willst«, sage ich und fahre fort: »Aber sei nicht zu beleidigt. Keine Sekunde, nachdem mir L&W ihre Kündigung gemailt hatten, habe ich deine Nummer gewählt. Du warst mein erster Gedanke!«, säusle ich und tue so, als wollte ich meine Hand auf sein Knie legen. Er zieht es weg und lässt einen leisen spitzen Schrei los, seine Schwulen-Paradeparodie.
    »Es ist gut, dass du da bist,

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