Parasit
das alles gar nicht passiert. Dana hätte ihn nicht so auflaufen lassen. Dieses Miststück. Sie hatte ihn noch nie ausstehen können, das hatte er schon immer gewusst. Aber sie hatte das noch nie so offen gezeigt wie heute.
Wahrscheinlich war sie sauer, weil Jason ohne sie in Weston war. An den Freitagabenden waren sie immer ins Kino gefahren und hatten dann irgendwo angehalten und gevögelt.
Aber nicht heute. Und weil sie heute mit Jason nicht auf ihre Kosten kam, ließ sie das an Roland aus.
Er ging zum Fenster hinüber.
Draußen regnete es in Strömen. Ein Wagen kam aus der Spring Street auf den Parkplatz. Die Scheinwerfer zogen glänzende Streifen über den Asphalt. Rolands Magen verkrampfte sich. Als sich der Wagen dem Hintereingang des Wohnheims näherte, sah er jedoch, dass es kein VW war.
Auf der Uhr auf seinem Tisch war es Viertel vor Neun. Wenn Dana pünktlich kam, dann würde sie erst in einer Viertelstunde auftauchen.
Er hatte immer noch einen Kloß im Magen. Warum tut dieses Miststück mir das an? Hatte es etwas mit den Fotos zu tun? Sie war ausgeflippt, als sie schnallte, dass er die Fotos gesehen hatte.
Roland hockte sich vor Jasons Schreibtisch und zog die unterste Schublade auf. Unter einem Stapel von Penthouse- und Hustler-Heften zog er den Umschlag hervor. Er nahm ihn mit zu seinem Schreibtisch, setzte sich und knipste die Schreibtischlampe an. Er nahm die zehn Fotos aus dem Umschlag und breitete sie auf der Tischplatte aus.
Zwei davon waren überbelichtet. Ein anderes, eine wirkliche Nahaufnahme, die zwischen ihren Knien gemacht worden sein musste, hatte die falsche Brennweite. Jason musste so erregt gewesen sein, dass er vergessen hatte, den Entfernungspegel einzustellen. Aber er hatte es dann noch einmal versucht und da hatte es geklappt.
Ja, Dana war wohl wirklich nicht begeistert, dass ich die Bilder zu sehen gekriegt habe.
Roland öffnete das Futteral an seinem Gürtel und zog sein zusammenklappbares Jagdmesser heraus. Er zog die Klinge auf. Berührte mit der Spitze den schimmernden Punkt zwischen ihren Schenkeln.
»Na, wie gefällt dir das?«, flüsterte er mit zittriger Stimme. Er fühlte sich versucht, das Messer hineinzustoßen, aber das wagte er nicht. Jason würde sofort wissen, dass nur er das gewesen sein konnte.
Roland presste die Rückseite der Klinge gegen sein Kinn und starrte auf die Fotos. Was wäre, wenn ich ihr die Fotos wiedergeben würde? Vielleicht ließe sie die Sache dann fallen.
Wenn ich das versuche, weiß sie, dass ich Angst habe. Ich werde die Nacht in diesem, beschissenen Restaurant verbringen und damit hundert Eier verdienen. Ein Kinderspiel. Könnte sogar ganz lustig sein.
Lustig - was für eine Scheiße. Aber er hatte gar keine Wahl. Wenn er jetzt einen Rückzieher machte, würde Dana jedem erzählen, er sei ein Feigling und ein Angeber.
Vielleicht kann ich es ihr irgendwie heimzahlen.
Er ließ die Fotos in dem Umschlag verschwinden.
Bei dem schwachen Blöken einer Autohupe zuckte er zusammen. Er stand auf, sah nur sein Spiegelbild im Fenster und schaltete das Licht aus. Draußen in der Dunkelheit stand er ein VW Käfer in der Einfahrt. Es war unzweifelhaft Danas Wagen. Dieser Wimpel flatterte an der Antenne.
Roland schob die Glastür auf und lief zu dem Wagen. Er beugte sich tief vornüber, als sei der Regen eine schwere Last. Seine Schuhe platschten durch das Wasser auf dem Asphalt. Er trug eine dunkle Wollmütze und hatte eine Windjacke angezogen. Vor der Brust hielt er einen Schlafsack.
Dana lehnte sich über den Beifahrersitz, um ihm die Tür zu öffnen.
Nachdem er eingestiegen war, ließ er den Schlafsack vor sich auf den Boden fallen, schloss die Tür und streifte sich einen kleinen Rucksack vom Rücken.
»Du hast dir ja eine schöne Nacht für dein Abenteuer ausgesucht«, sagte Dana.
»Ja. Nur schade, dass es nicht blitzt und donnert.« Er gluckste. Es klang nervös.
Dana fuhr los und überquerte den Parkplatz. »Du musst mir sagen, wo es hingeht.«
»Fahr rechts auf die Spring Street. Ich sage dir dann, wann wir abbiegen müssen.«
Sie hielt an der Ausfahrt des Parkplatzes, ließ ein paar Autos vorbeifahren und zog dann auf die Spring Street hinaus.
Der Regen trommelte unaufhörlich. Sie lehnte sich vor, um besser sehen zu können. Roland war schweigsam. Normalerweise redete er ohne Unterlass. »Na, Angst?«, fragte Dana.
»Ja, ich habe Angst. Deine Scheibenwischer sind für die Tonne.«
»Das weiß ich selbst«, grummelte
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