Parasiten
die
alten Männer noch den dünnen Kaffee, den er trank, noch das Geklapper des
Geschirrs, das die Krankenschwestern über den Flur karrten. Er hatte nur noch
einen Gedanken im Kopf: Bender. Heiko Bender.
31. Juli 2010
Hamburg.
Christian war immer noch müde, stand aber gleichzeitig
unter Strom, als er sich anzog, um zur kurzfristig anberaumten Morgenkonferenz
zu gehen. Der gestrige Tag hatte sich bis in die Nacht gezogen. Erste
Informationserhebung, Befragungen, Protokolle, Spurensicherung und
Dokumentation, Recherchen … Die akribische Kleinarbeit musste koordiniert und
die Journalisten so weit wie möglich abgewimmelt werden. Zusätzlich hatten
Wieckenberg und Helmann auch noch einen persönlichen ersten Abriss der
Ereignisse von Christian gefordert, um für die Pressekonferenz am heutigen
Morgen gerüstet zu sein. Dieses Gespräch endete bei einem gemeinsamen
Abendessen in einem Restaurant in der Nähe des Rathausmarktes. Christian war
erst nach Mitternacht nach Hause gekommen und hatte sich dann von Anna
berechtigte Vorwürfe gefallen lassen müssen. Dass sie ihn nach Rendsburg hatte
fahren wollen, war ihm völlig entfallen gewesen. Er hatte aus Zeitgründen nicht
mal auf ihre Anrufe geantwortet.
Jetzt schlief sie noch. Zu gerne hätte er sie gebeten, heute ohne
ihn nach Rendsburg zu fahren. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie mehr aus
Danylo herausbekam als er. Doch er wagte nicht, sie zu wecken. Es war Samstag.
Anna wollte ausschlafen. Er würde sie vielleicht später bitten können. Wenn sie
ausgeruht war und wieder gute Laune hatte.
Als Christian in der Zentrale ankam, war sein Team vollzählig
versammelt. Sogar Yvonne war da und hatte für frischen Kaffee und belegte
Brötchen gesorgt. Nur Karen fehlte noch. Aber sie würde mit ihren beiden
Obduktionsberichten sicher bald eintreffen.
»Was haben wir?« Christian eröffnete die Sitzung nach dem ersten
Begrüßungsgeplänkel mit den gleichen Worten wie immer.
Herd, der Tatortspezialist, war als Erster an der Reihe: »Ich fange
mit Benedikt an. Wie ihr vermutlich alle wisst, Hamburger Staatsrat für Kultur
und Medien. Aufgefunden von der Reinemachefrau Marianne Sund in seiner Villa in
Alsterdorf, Fundort gleich Tatort. Personalien von Sund im Bericht.« Er
befestigte Vergrößerungen von den Fotos, die er in der Villa gemacht hatte, an
der Pinnwand.
»Dass Marianne Sund eine hervorragende Haushaltshilfe ist, die am
Tag vor dem Mord das Haus von oben bis unten gesäubert hat, machte erst einmal
Hoffnung. Es sollte nicht allzu viele mehrdeutige Spuren geben wie etwa bei
unordentlichen Studenten, die monatelang nicht staubsaugen. Leider war dem
nicht so. Wir fanden auf dem Perserteppich zwei kleine Krümelchen Erde, die von
Straßenschuhen stammen. Vermutlich hat das Opfer selbst sie hereingebracht.
Fingerabdrücke sehr wenige, weil Frau Sund wie erwähnt am Tag zuvor gewischt,
gewachst und was weiß ich noch alles gemacht hat. Die Fingerabdrücke, die wir
im Büro, wo die Leiche lag, gefunden haben, waren ausschließlich vom Opfer und
von der Putzfrau. Im Haus gab es noch weitere Abdrücke, die meisten von
Kindern, vermutlich denen des Opfers und seiner Frau. Das können wir erst
abklären, wenn sie da ist. Sie trifft heute Abend ein. Der Mord hat ihr den
Urlaub auf den Malediven versaut. Einbruchspuren gibt es übrigens nicht, das
vergaß ich eingangs zu erwähnen, sorry. Der Täter hat entweder einen Schlüssel
benutzt oder ist hereingelassen worden.«
Herd trank ein halbes Glas Wasser. Ihm war heiß und sein Mund
trocken. Seit gestern regnete es nicht mehr. Der Sommer war zurückgekehrt, die
Sonne schien mit für diese frühe Uhrzeit erstaunlicher Wucht durch die Fenster,
aber keiner wollte die Jalousien herunterlassen.
»Frau Sund kam nach ihrer ersten Aussage auf unsere Bitte hin noch
einmal zum Tatort zurück, um zu überprüfen, ob etwas fehlte. In der Tat. Zwei
Kaffeetassen. Die Unterteller zu den Tassen standen auf dem Schreibtisch, wie
ihr hier seht …«, Herd wies auf eines der Fotos, »… aber die Tassen sind weg.
Das Kaffee-Service ist jetzt nicht mehr vollständig. Frau Sund war zu Recht
empört über diesen unglaublichen Akt von Vandalismus.«
»Wette, das Opfer ist mit etwas in der Tasse betäubt oder vergiftet
worden«, mutmaßte Pete. »Dann heißt es entweder gründlich spülen und
Fingerabdrücke abwischen oder einfach die Tassen mitnehmen. Geht schneller.«
»Schlaues Kerlchen«, sagte Karen. Sie war in den
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