Parasiten
Marianne Sund befragt,
die Haushälterin. Das Personal weiß meistens ganz genau, was in einem Haus
hinter den Kulissen vor sich geht. Außerdem wäscht sie schließlich die
Bettwäsche. Die war auch empört, als ich von einer Geliebten anfing. Aber
wirklich empört. Sie hält Benedikt für einen feinen, vornehmen und integren
Mann, der über derlei Unmoralitäten erhaben ist. Ich glaube, sie war selbst in
ihn verknallt.«
Daniel kam dazu. Er hatte einen Pappteller mit einer riesigen
Portion Pommes rot-weiß dabei. Christian stand sofort auf: »Gehen wir rüber.«
Die einzelnen Büros der Soko-Mitglieder waren so klein, dass drei Mann und der
Geruch von geschätzten zweihundert Pommes-Stäbchen sie definitiv überfüllten.
Erst recht an einem heißen Sommertag.
Im Konferenzraum erzählte Volker weiter, während alle drei gemeinsam
die Pommes mit den Fingern aßen. »Ich dachte mir: Puri. Zuhälter. Mehrfacher
Puff-Besitzer. Benedikt. Fremdvögler. Vielleicht lässt sich da ja was finden.
Also gehe ich zu Franca Dallessandro.«
»Die Geliebte von Puri, die du so scharf findest?«, fragte Daniel
mit vollem Mund.
Volker nickte: »Eine Frau mit Klasse. Und, Bingo! Sie hat mir
erzählt, dass Puri alle paar Monate Privatpartys für besonders exklusive Kunden
veranstaltet. So exklusiv, dass die nie in ein öffentliches Bordell gehen
würden. Obermacker aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Franca war bei einigen
dieser Partys dabei. Benedikt auch. Sie hat ihn zwei Mal gesehen. Er und Puri
schienen recht vertraut, meinte sie.«
Christian pfiff durch die Zähne. »Na, da werden sich unser Justizsenator
und unser Oberstaatsanwalt aber freuen, wenn das zur Presse durchsickert.«
»Schätze, wir bekommen einen Maulkorb verpasst.«
»Garantiert. Würde diese Dallessandro das auch vor Gericht bezeugen?«
Volker schüttelte den Kopf. »Sie hat mir weder gesagt, wo diese
Partys stattfinden, außer ›mal hier, mal da‹, noch hat sie mir andere Gäste
genannt, die wir befragen könnten. Benedikt und Puri sind tot, die können ihr
nicht mehr schaden. Alle anderen schon. Außerdem sind das ihre lukrativsten
Kunden. Sie wird den Mund halten, wie das in diesem Milieu so üblich ist. Dass
sie mir diese Infos überhaupt gegeben hat, liegt nur an meiner vertrauenswürdigen
Ausstrahlung.«
Daniel lachte laut los. Volker sah mit seiner überlangen Körpergröße,
den breiten Schultern, der Glatze und den tief liegenden, dunklen Augen aus wie
ein Hooligan. Dennoch wussten alle seine Kollegen um seine besondere Gabe, Menschen
zum Reden zu bringen. Woran das lag, verstand keiner.
»Dann hat sie dir vermutlich auch keine Kolleginnen genannt, die wir
befragen könnten.«
»Leider nein. Aber ich will am Montag mal bei der Sitte vorbeischauen.
Vielleicht wissen die etwas über diese Partys. Oder sie haben Informantinnen
aus der Edelnutten-Szene.«
»Gut.« Christian sah Daniel fragend an: »Hast du auch was?«
»Bislang nur langweiligen Scheiß. Ich arbeite gerade an den Telefonverbindungen
und den Kontodaten. Dauert.«
»Okay, dann schlage ich jetzt den Rückzug ins Privatleben vor.«
Christian erhob sich und nahm einen Stapel Akten und Protokolle vom Tisch.
Volker grinste: »Privatleben, klar. Anna freut sich bestimmt, dass
du den ganzen Samstag unterwegs warst und dann Akten für den Sonntag mit nach
Hause bringst.«
»Wenn ich am Wochenende nur eine Stunde mit meiner Süßen verbringe,
habe ich immer noch mehr Privatleben als du, mein Lieber«, grinste Christian
zurück.
1. August 2010
Hamburg.
Gegen zehn Uhr am Morgen kamen Vadim und Danylo mit Alina
am Hamburger Flughafen an. Danylo hatte dafür plädiert, dass Alina im deutschen
Krankenhaus blieb, bis sie kräftiger war. Aber sie hatte sich nicht überreden
lassen. Sie wollte nach Hause. Denn auch wenn Radu und Ileana sich aus Sorge um
Alinas Gesundheit in Geduld geübt hatten, konnten sie es kaum erwarten, ihre
Jüngste wieder in die Arme zu schließen.
Danylo ging mit zum Schalter und dolmetschte beim Einchecken. Danach
tranken sie noch gemeinsam einen Kaffee. Es wurde nicht viel gesprochen. So
groß Alinas Freude war, endlich wieder nach Hause zu können, so groß war auch
die Sorge, Sofia nicht an ihrer Seite zu wissen. Vadim und Danylo waren mit
ähnlichen Gedanken beschäftigt.
An der Sicherheitsschleuse verabschiedete sich Danylo von Alina und
Vadim. Auf Alinas eindringliche Bitte, weiter nach Sofia zu suchen, nickte er
nur kurz, warf Vadim einen düsteren Blick
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