Parasiten
witzig.«
Hamburg.
Christian fand die Pressekonferenz wie immer äußerst
unerfreulich. Die Journalisten stellten viele dumme und einige wenige kluge
Fragen. Die dummen wollte er nicht, die klugen konnte er nicht beantworten.
Glücklicherweise redeten Wieckenberg und Helmann. Er diente nur als Staffage im
Hintergrund – der Ermittler, dem die Verantwortung aufgeladen und der bei
Misserfolg abgewatscht wurde. Wieckenberg hielt seine Visage vor die Kameras,
mimte den erschütterten Entschlossenen und gab die typischen Null-Antworten
eines geschulten Pressesprechers. Vermutlich plante er insgeheim schon, den
Senatorenposten für Justiz von Helmann zu übernehmen. Christian war dieses
Affentheater zuwider, es vergeudete nur seine Zeit. Natürlich bot sich hier
wieder einmal ein Fall, auf den sich die Presse mit Heißhunger stürzte. Schon
nahmen die Journalisten abstruse Konstruktionen in den Mund wie »der Mörder mit
den Maden« oder »Kammerjäger des Todes«, wobei Letzteres originell klang, aber
die Tatsache ignorierte, dass Kammerjäger eher Ungeziefer vertilgten als
irgendwo hübsch drapierten. Dennoch war Christian sicher, derlei Schlagzeilen
morgen in allen Boulevardblättern zu lesen. Wenn bei den Ermittlungen zudem
eine Verbindung zwischen Staatsrat Benedikt und dem verurteilten Verbrecher
Puri zutage käme, könnte das auch politische Erschütterungen nach sich ziehen.
Es war also nicht verwunderlich, dass sich die Presseleute an einem Samstagnachmittag
kurz vor Bundesliga-Anpfiff so zahlreich wie lange nicht mehr im Raum
tummelten. Christian nutzte das Tohuwabohu, um sich direkt nach Ende der
Konferenz abzusetzen – bevor Wieckenberg und Helmann ihn noch einmal
eindringlich auf die Brisanz des Falles hinweisen konnten. Sie hatten es schon
zur Genüge getan.
Christian ging die kurze Strecke von der Staatsanwaltschaft im
Gorch-Fock-Wall bis zur Zentrale der Soko wie immer zu Fuß, als er auf die Idee
kam, einen Abstecher zum Schulterblatt zu machen, von einigen Taxifahrern
abwertend »Galao-Strich« genannt. Die Sonne schien, die Tische der Straßencafés
waren fast alle besetzt, auf den Bürgersteigen tummelten sich die Leute. Die
Szene im Schanzenviertel huldigte dem Hochsommer. Christian suchte sich einen
der wenigen freien Plätze, bestellte einen Espresso und einen griechischen
Salat und rief Anna an, doch sie ging nicht ans Telefon. Nachdem er das Essen,
einen zweiten Espresso und vor allem das Eintauchen in die Normalität
ausreichend genossen hatte, machte Christian sich an die letzten Meter zum
Büro.
Als er in die Zentrale kam, war sie verwaist. Nicht mal Daniel
hackte wie gewohnt in seinen Computer. Auf seinem Schreibtisch lag ein Zettel:
»Bin bei Ali, Döner fassen.«
Christian setzte sich in sein Büro und begann mit einer ersten
Versionsbildung zu den beiden Morden. Sein Hauptaugenmerk richtete er auf Hypothesen
zur Planung und Vorbereitung der Taten und zu möglichen
Täter-Opfer-Beziehungen. Er war noch nicht weit gekommen, als er die Tür hörte
und kurz darauf Volker in Christians Büro stand.
»Ich hab Neuigkeiten«, sagte er fröhlich, setzte sich hin und legte
seine Füße, die in ausgelatschten Converse steckten, auf Christians Tisch.
Christian schubste die Füße wieder herunter und sah ihn abwartend an.
»Hab mit der Gattin von Benedikt gesprochen, die ist heute Morgen
von den Malediven zurückgekommen. Unsympathisches Stück. Sie macht einen auf
trauernde Witwe in Chanel, aber wenn du mich fragst, bedauert sie es nicht
allzu sehr, dass sie ihren Alten los ist.«
»Wie kommst du darauf?« Christian arbeitete lieber mit Fakten als
mit Intuition, zumindest glaubte er das von sich selbst. Aber auf Volkers
Menschenkenntnis verließ er sich blind.
»Als ich hereinkam, probierte sie gerade äußerst konzentriert
verschiedene Hüte für die Beerdigung auf. Während unseres Gesprächs kam die
Haushaltshilfe rein und bestätigte den Frisörtermin für Frau Benedikt. Sie will
die Leiche ihres Mannes nicht sehen. Und sie lügt. Als ich sie nach möglichen
Verbindungen ihres Mannes zu Puri fragte, behauptete sie, den Namen noch nie
gehört zu haben. Besonders zickig wurde sie, als ich sie nach einer eventuellen
Geliebten gefragt habe. Da gab sie sich so künstlich empört, dass ich mir
sicher bin, sie weiß etwas.«
»Aber erfahren hast du nichts?«
Volker grinste. »Nicht bei ihr. Aber Benedikt hat fremd gevögelt, da
lege ich meine Hand für ins Feuer. Ich habe dann diese
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