Parasiten
›Norddeutschen
Musikabende‹. Wieso?«
»Ach.« Christian verschlug es kurz die Sprache. Er hatte nach einer
Verbindung zwischen Bender und Benedikt gesucht. Und dabei gleich noch eine zu
Danylo Savchenko und Sofia Suworow entdeckt.
»Du guckst vollkommen dämlich aus der Wäsche«, sagte Anna. »Was ist
denn los?«
»Hier, schau mal«, Christian schob ihr zwei Akten zu. »Benedikt war
Mitglied der Sponsorengesellschaft der NMA. Und Heiko Bender ist im
Stiftungsrat der NMA.«
Anna besah sich die Unterlagen. »So ungewöhnlich finde ich das
nicht. Das belegt doch nur, dass die beiden sich vermutlich gekannt haben. Die
NMA ist ein Riesenapparat. Da arbeiten, ich weiß nicht, wie viele Leute mit, um
den ganzen Aufwand zu stemmen. Hunderte von Konzerten pro Jahr, Saalmieten,
internationale Künstler von Weltrang, Hotelbuchungen, zigtausend Besucher an
zig Spielstätten …«
Anna holte ihren Laptop aus dem Wohnzimmer und gab »Norddeutsche
Musikabende« als Suchbegriff ein. Sie zeigte Christian die Homepage. Er besah
sich den Webauftritt, klickte sich geduldig durch Programme, Spielstätten,
Akademien, Pressemitteilungen, Direktoren, Referenten und alle weiteren Zahlen
und Fakten.
»Die machen pro Jahr Umsätze im zweistelligen Millionenbereich!«
Christian war völlig perplex.
»Was hast du denn gedacht? Die NMA sind ein kulturelles Ereignis von
herausragendem internationalem Ruf.«
»Und ein Wirtschaftsunternehmen von beträchtlichem Umfang«, fügte
Christian hinzu. »Ich muss nach Rendsburg, mit Danylo Savchenko reden. Und wenn
ich die Infos diesmal aus ihm rausprügele!«
»Das dürfte dir schwerfallen. Alina hat mich gestern Abend angerufen
und sich verabschiedet. Da waren die drei schon wieder in Hamburg.« Anna sah
auf ihre Küchenuhr. »Alina sitzt mit Vadim in der Maschine nach Chişinău via Frankfurt. Und Danylo … Wer weiß, wo
der ist.«
»Mist! Du hast recht. Vielleicht ist er ja in seiner Wohnung in
Winterhude. Ich schicke Volker vorbei, der wohnt ums Eck. Der soll ihn an den
Haaren in die Zentrale schleifen.«
»Ich finde es immer wieder schön, wie sensibel du mit großen
Künstlern umzugehen verstehst.«
Christian rief Volker an und informierte ihn über seine neuen
Thesen. Volker fand einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen und der NMA
zwar äußerst zweifelhaft, sah aber ein, dass Christian unbedingt mit Savchenko
reden wollte. Auch wenn er sicher war, dass Savchenko wie immer gar nichts
preisgeben würde, wollte er gleich bei seiner Adresse vorbeifahren.
Christian hatte kaum aufgelegt, als sein Handy klingelte. Er sah auf
das Display. »Das glaube ich nicht! Wieckenberg! Was will der denn am Sonntag
von mir?«
Anna lächelte. »Wenn du nicht rangehst, wirst du es nie erfahren.«
»Genau das ist der Plan.« Christian legte das Handy beiseite und
starrte gebannt auf die Homepage. Kaum hatte das Handy aufgehört zu klingeln,
ging es wieder los. Christian sah erneut auf das Display, seufzte und ging ran:
»Herr Wieckenberg. Was gibt’s denn?«
Christian hörte verwundert zu. »Okay, ich bin in einer Stunde bei
Ihnen.« Er legte auf.
Anna sah ihn fragend an. »Eine neue Leiche?«
»Das nicht. Aber irgendetwas ist seltsam. Er hatte gar nicht seinen
üblichen arroganten Befehlston drauf. Er hat mich ›gebeten‹! Zu einem
inoffiziellen, aber dringlichen Gespräch.«
»Bitte. Dann gehen wir halt nächstes Wochenende schwimmen«, zickte
Anna giftig.
Christian musste lachen. Seit er mit dem Petersen-Fall beschäftigt
war, kommentierte Anna jede Störung ihres Privatlebens mit einer gespielt
beleidigten Bemerkung übers Schwimmengehen und karikierte ihm so das typische
Verhalten einer stets zu kurz kommenden Polizisten-Gattin, wie er sie selbst
einmal gehabt hatte.
Sie lachte mit, küsste ihn auf seinen von kurzen Bartstoppeln
umsäumten Mund und sagte: »Amüsier dich gut mit dem blöden Wieckenberg, ich
lege mich raus in den Garten und bräune meinen Amazonenkörper. Nackt, damit dem
Spanner von gegenüber die Augen aus dem Kopf fallen.«
»Hauptsache, du lässt ihn nicht rein, wenn er klingelt.«
Christian wollte nach oben gehen, um die Jogginghose gegen Jeans zu
tauschen, als ihm plötzlich der Gedanke kam, es zu lassen, nur um Wieckenberg
zu ärgern. Das erschien ihm dann aber doch zu pubertär, also zog er sich um,
bevor er sich mit dem Fahrrad auf den Weg zum benachbarten Stadtteil
Harvestehude machte.
Zur gleichen Zeit trafen sich Vadim und Danylo ganz in der
Nähe
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