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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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als schön zu nennen. Wilde,
schwarze Locken fielen ihm in die Stirn, seine großen Augen besaßen die Farbe von
Bitterschokolade und waren von dichten, langen Wimpern umrahmt. Das Gesicht war
blass – er sah aus wie ein männliches Schneewittchen.
    »Guten Tag. Ich bin Christian Beyer, Kriminalhauptkommissar aus
Hamburg.«
    »Sie haben mir ein paar Mal aufs Band gesprochen. Was wollen Sie
hier?«
    »Ich war mit Ihrem Vater in Moldawien. Weil wir weder Sie noch Sofia
Suworow erreicht haben. Woher wussten Sie, dass Maxym hier ist?«
    »Der türkische Gemüsehändler, bei dem er immer eingekauft hat, hat
es mir gesagt. Mein Vater ist bei ihm im Laden zusammengebrochen.«
    »Wie schlimm steht es um ihn?«
    Danylo wollte antworten, doch Maxyms Hand krampfte sich plötzlich um
die seine. Seine Augen fingen zu flattern an. Danylo sprach leise, aber
eindringlich auf Russisch zu ihm. Es klang so ähnlich wie »Papa, prosnis,
prosnis«.
    Maxym öffnete die Augen. Als er Danylo erkannte, liefen ihm Tränen
die Wangen herunter. Er wollte sprechen, doch es kam nur ein heiserer
Gurgellaut aus seiner Kehle. Danylo redete unaufhörlich auf Russisch. Es klang
gleichzeitig streng, flehend und zärtlich. Fast war es Christian unangenehm, diesen
intimen Moment zwischen Vater und Sohn zu stören. Doch die beiden beachteten
ihn nicht im Geringsten. Danylo hielt mit beiden Händen die Hand des Vaters
umklammert. Auch er weinte nun.
    Eine der Maschinen, an die Maxym angeschlossen war, fing wie wild zu
piepen an. Soweit Christian das beurteilen konnte, handelte es sich um das
Kontrollgerät zu Maxyms Herzschlag. Auch ohne medizinische Kenntnisse spürte
man die Bedrohung. Danylo begann laut nach einem Arzt zu schreien, Christian
lief hinaus auf den Flur und rief ebenfalls um Hilfe. Die Oberschwester kam angerannt,
direkt hinter ihr folgten zwei junge Ärzte. Sie warfen einen Blick auf die
Maschine und den Patienten, der sich in seinem Bett aufbäumte und Schaum vor
den Mund bekam. Die Oberschwester drängte den widerstrebenden Danylo und
Christian aus dem Zimmer, der Vorhang wurde zugezogen, die Sicht auf die
Notfallmaßnahmen versperrt.
    Danylo stand ganz dicht an der Scheibe, beide Hände flach auf das
Glas gelegt, die Stirn dagegengepresst. Sein schneller, heißer Atem ließ die
Scheibe anlaufen. Er konnte absolut nichts sehen, aber seine Augen waren weit
aufgerissen, als könne er so den Stoff des geschlossenen Vorhangs durchdringen.
    Christian hätte gerne mit ihm gesprochen. So viele Fragen brannten
ihm auf der Seele. Aber das war wahrlich nicht der richtige Moment. Und etwas
Trostreiches fiel ihm nicht ein. Auch ihm war elend zumute.
    Nach etwa zwanzig Minuten, die Danylo an die Scheibe gepresst
verharrt hatte, während Christian auf und ab gelaufen war, kamen die Ärzte
wieder heraus. Ihre ernsten Mienen sprachen Bände. Einer schüttelte den Kopf,
legte Danylo die Hand auf die Schulter und sagte: »Tut uns leid, wir haben
alles Menschenmögliche getan.«
    Danylo gab keine Antwort. Nach scheinbar endlosen Sekunden der
Schockstarre betrat er Maxyms Zimmer.
    Christian sah durch die halb geöffnete Tür, wie die Oberschwester
gerade das Betttuch über Maxyms Gesicht legen wollte. Danylo hielt sie fest,
zog das Tuch wieder zurück und setzte sich zu seinem Vater, auf den Stuhl neben
dem Bett. Wie noch vor einer halben Stunde nahm er Maxyms Hand und sprach leise
auf Russisch zu ihm. Christian schien es, als wolle Danylo den Tod, der durchs
Zimmer geschritten war, einfach ignorieren.
    Die Oberschwester kam heraus und schloss die Tür hinter sich. »Wir
wollen den jungen Mann in Ruhe Abschied nehmen lassen.« Sie ging den Flur
hinunter und verschwand im Schwesternzimmer.
    Christian war allein. Er ließ sich mit dem Rücken die Wand heruntergleiten
und setzte sich auf den Boden. Seine Knie waren ihm weich geworden. Er verstand
nicht, wieso ihn das Ganze so mitnahm. Der Tod war sein ständiger Begleiter im
Alltag. Kein Grund, geschockt zu sein. Was tat er überhaupt hier? Hatte er
insgeheim gehofft, Danylo am Bett des Vaters anzutreffen? Oder war er nach
Berlin gefahren, weil er diesen blasierten Mistkerl tatsächlich mochte? Es
spielte keine Rolle mehr. Maxym war tot, er musste an die Lebenden denken.
Danylo würde ihm jede Menge Fragen beantworten müssen, egal, wie unpassend der
Zeitpunkt schien. Sofia und Alina Suworow warteten irgendwo auf Hilfe.
    Es dauerte eine ganze Stunde, dann kam die Oberschwester zurück und
führte Danylo mit

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