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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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mich damals nicht gut beherrschen und sagte: «Du ekelhafter Hundsfott, was machst du denn hier? Geh doch in dein dreckiges Stammlokal.»
    «Sei nicht so ausfallend, nur weil du dich wie ein Exzentriker auf
führen willst.»
«Zieh ab mit deiner schmierigen Fresse.»
    «Dies ist ein öffentliches Café. Ich habe hier ebensoviel Rechte wie du.»
    «Warum gehst du nicht in die Petite Chaumière , wo du hingehörst?» «Mein Gott, sei doch nicht so unausstehlich.»
    Du konntest jetzt weggehen und hoffen, daß es nur ein zufälliger Besuch war und daß der Gast nur aufs Geratewohl hereingekommen war und es sich nicht um eine dauernde Landplage handeln würde. Es gab andere gute Cafés, in denen man arbeiten konnte, aber sie waren weit weg, und dies war mein Stammcafe. Es war schlimm, aus der Closerie verjagt zu werden. Ich mußte mich zur Wehr setzen und gehen. Es war wahrschein lich klüger, wegzugehen, aber die Wut stieg in mir hoch und ich sagte: «Hör mal, ein Hundsfott wie du hat eine Menge Orte, wo er hingehen kann. Warum mußt du hierherkommen und ein anständiges Cafe verwanzen?» «Ich wollte etwas trinken. Was stört dich daran?»
    «Zu Hause würde man dich bedienen und dann das Glas zerbrechen.» «Wo ist zu Hause? Klingt wie ein reizender Ort.»
    Er saß am Nebentisch, ein großer, dicker junger Mann mit Brille. Er hatte ein Bier bestellt. Ich dachte, ich ignoriere ihn und sehe zu, ob ich schreiben kann. Also ignorierte ich ihn und schrieb zwei Sätze. «Alles, was ich getan habe, war, mit dir zu reden.»
    Ich machte weiter und schrieb noch einen Satz. Man kommt schwer davon los, wenn man wirklich im Zuge ist und man ganz dabei ist. «Ich nehme an, du hältst dich jetzt für so bedeutend, daß niemand mit dir reden darf.»
    Ich schrieb noch einen Satz, der den Absatz beendete, und las es durch. Es war immer noch gut, und ich schrieb den ersten Satz vom nächsten Absatz.
    «Du denkst niemals an andere, und daß die vielleicht auch ihre Probleme haben.»
    Mein ganzes Leben über hatte ich Klagen mitangehört. Ich merkte, daß ich weiterschreiben konnte und daß es nicht schlimmer war als andere Geräusche, bestimmt besser, als wenn Ezra Fagott spielen lernte. «Nimm an, du möchtest Schriftsteller werden, und du spürst es in jedem Teil deines Körpers, und es würde einfach nicht kommen.» Ich schrieb weiter, und jetzt fing ich an, Glück zu haben - noch obendrein. «Nimm an, daß es einmal wie ein unwiderstehlicher Sturzbach kam und dich dann stumm und schweigsam zurückgelassen hat.»
    Besser als stumm und lärmend, dachte ich und schrieb weiter. Er war jetzt in voller Fahrt, und die unglaublichen Sätze waren so beruhigend wie das Geräusch eines in der Sägemühle mißhandelten Brettes.
    «Wir haben Griechenland* besucht», hörte ich ihn später sagen. Ich hatte ihn eine ganze Zeitlang nicht gehört außer als Geräusch. Ich hatte jetzt einen Vorsprung und konnte aufhören und morgen weitermachen.

    * Bei Hemingway Wortspiel mit Greece und grease (= Griechenland und Fett)
    «Hast du gesagt, benutzt oder besucht?»
    «Sei nicht so ordinär», sagte er. «Möchtest du nicht, daß ich dir den Rest erzähle?»
    «Nein», sagte ich und machte das Notizbuch zu und steckte es in
meine Tasche.
«Interessiert es dich nicht, wie es ausging?»
«Nein.»
«Interessiert dich denn das Leben und das Leiden eines mitmenschli
chen Wesens überhaupt nicht?»
«Deins nicht.»
«Du bist gemein.»
«Ja.»
«Ich dachte, du könntest mir helfen, Hem.»
«Ich würde dich gern erschießen.»
«Würdest du?»
«Nein. Es ist gesetzlich verboten.»
«Ich würde alles für dich tun.»
«Würdest du?»
«Natürlich würde ich.»
«Dann halte dich verdammt noch mal von diesem Café fern. Fang
damit an.» Ich stand auf, der Kellner kam herüber, und ich bezahlte.
«Kann ich mit dir bis zur Sägemühle gehen, Hem?»
«Nein.»
«Gut. Ich spreche dich ein andermal.»
«Nicht hier.»
    «Das ist ganz in Ordnung», sagte er. «Ich hab's versprochen.»
    «Was schreibst du?» Ich machte den Fehler, ihn zu fragen.
    «Ich schreibe, so gut wie ich kann. Genau wie du auch. Aber es ist so entsetzlich schwer.»
    «Du solltest nicht schreiben, wenn du nicht schreiben kannst. Warum
mußt du darüber jammern? Geh nach Hause. Such dir eine Arbeit. Häng
dich auf, nur sprich nicht darüber. Du konntest nie schreiben.»
«Warum sagst du das?»
«Hast du dich mal reden hören?»
«Ich spreche vom Schreiben.»
«Dann halt die Klappe.»
    «Du bist einfach

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