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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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grausam», sagte er. «Alle haben immer gesagt, daß du grausam bist und herzlos und eingebildet. Ich habe dich immer verteidigt. Aber von jetzt an nicht mehr.»
    «Schön.»
    «Wie kannst du zu einem Mitmenschen so grausam sein?»
    «Ich weiß es nicht», sagte ich. «Sieh mal, wenn du schreiben kannst,
warum lernst du nicht Kritiken schreiben?»
«Glaubst du, ich sollte?»
    «Das wäre großartig», sagte ich zu ihm. «Dann kannst du immer schreiben. Dann brauchst du dir nie Gedanken darüber zu machen, daß es nicht kommt, daß du stumm und schweigsam bist. Die Leute werden es lesen und schätzen.» «Glaubst du, daß ich ein guter Kritiker sein könnte?»
    «Ich weiß nicht wie gut, aber ein Kritiker könntest du sein. Es wird
immer Leute geben, die dir helfen werden, und du kannst deinen eigenen
Leuten helfen.»
«Was meinst du mit meinen eigenen Leuten?»
«Die, mit denen du immer zusammen bist.»
«Ach, die haben ihre Kritiker.»
    «Du brauchst ja nicht Bücher zu kritisieren», sagte ich. «Es gibt Bilder, Theaterstücke, Ballett, das Kino -»
    «Das klingt ja ganz faszinierend, Hem. Dank dir sehr. Das ist ja aufregend. Es ist auch schöpferisch.»
    «Schöpfungen sind wahrscheinlich überbewertet. Schließlich hat Gott die ganze Welt in sechs Tagen gemacht und sich am siebenten ausgeruht.»
    «Natürlich gibt es nichts, was mich hindern könnte, auch schöpferisch zu schreiben.»
    «Überhaupt nichts. Außer du setzt dir selbst unmöglich hohe Maßstäbe durch deine Kritik.»
    «Die werden hoch sein. Darauf kannst du dich verlassen.»
«Davon bin ich überzeugt.»
«Ich glaub's schon, daß sie es sein werden.»
    Er war bereits ein Kritiker, also fragte ich ihn, ob er etwas mit mir trinken wolle, und er nahm an.
    «Hem», sagte er, und ich wußte, daß er jetzt ein Kritiker war, da sie
bei jeder Unterhaltung deinen Namen eher an den Anfang eines Satzes
stellen als ans Ende. «Ich muß dir sagen, ich finde deine Arbeit gerade ein
bißchen zu starr.»
«Das ist schlimm.»
«Hem, es ist zu nackt, zu mager.»*
«Pech.»

«Hem, zu starr, zu nackt, zu mager, zu sehnig.»
    Schuldbeladen befühlte ich die Hasenpfote in meiner Tasche. «Ich
werde versuchen, es etwas anzumästen.»
«Vorsicht, ich meine nicht korpulent.»
    «Hal», sagte ich und übte mich, wie ein Kritiker zu sprechen. «Das werde ich vermeiden, so lange ifch kann.»
    «Ich freue mich, daß wir uns verstehen», sagte er mannhaft.
    «Du denkst daran, nicht herzukommen, wenn ich arbeite?»
    «Natürlich, Hem. Selbstverständlich. Ich werde jetzt mein eigenes
Cafe haben.»
«Wie freundlich von dir.»
«Ich versuche es zu sein», sagte er.
    Es wäre interessant und lehrreich, wenn sich aus dem jungen Mann ein berühmter Kritiker entwickelt hätte, aber es wurde nichts daraus, obschon ich eine ganze Zeitlang große Hoffnungen hatte.
    Ich dachte nicht, daß er am nächsten Tag wiederkommen würde, aber ich wollte keinerlei Risiko laufen und beschloß, der Closerie einen Tag Ruhe zu gönnen. Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, kochte die Gummisauger und die Flaschen aus, bereitete die Mischung, füllte alles in Flaschen, gab Mr. Bumby eine Flasche und arbeitete auf dem Eßtisch, bevor irgendwer außer ihm, F. Puss, der Katze, und ich wach waren. Die beiden waren ruhige und gute Gesellschaft, und ich arbeitete besser, als ich je gearbeitet hatte. In jenen Tagen brauchtest du eigentlich gar nichts, nicht einmal eine Hasenpfote, aber es war gut, sie in der Tasche zu fühlen.

    Mit Pascin im Dôme

    Es war ein wunderschöner Abend, und ich hatte den ganzen Tag schwer gearbeitet und verließ die Wohnung über der Sägemühle und ging hinaus über den Hof mit dem aufgestapelten Bauholz, schloß die Tür, überquerte die Straße und ging durch die Hintertür in die Bäckerei, die auf den Boulevard Montparnasse hinausging und durch den guten Brotgeruch der Öfen und des Ladens hinaus auf die Straße. Das Licht in der Bäckerei brannte, und draußen ging der Tag zu Ende, und ich wanderte in der frühen Dämmerung die Straße hinauf und blieb vor der Terrasse des Restaurants Nègre de Toulouse stehen, wo unsere rot-weiß karierten, Servietten in den hölzernen Serviettenringen in dem Serviettengestell darauf warteten, daß wir zum Essen kamen. Ich las das in lila Tinte vervielfältigte Menü und sah, daß es als plat du jour Cassoulet gab. Ich wurde hungrig, als ich das Wort las.
    Monsieur Lavigne, der Besitzer, fragte, wie es mit meiner Arbeit ginge, und ich

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