Paris, Ein Fest Fürs Leben
Modellen, die Schwestern waren. Pascin hatte mir zugewinkt, während ich auf der Seite der Rue Delambre auf dem Trottoir stand und überlegte, ob ich hineingehen und etwas trinken sollte oder nicht. Pascin war ein sehr guter Maler, und er war betrunken, ständig, vorsätzlich betrunken, aber bei klarem Verstand. Die beiden Modelle waren jung und hübsch. Die eine war sehr dunkel, klein und wunderschön gewachsen, von trügerischzerbrechlicher Verworfenheit. Die andere war kindlich und dumm, aber sehr hübsch in einer vergänglichen, kindischen Art. Sie war nicht so gut gewachsen wie ihre Schwester, aber das war auch niemand sonst in jenem Frühling.
«Die gute und die böse Schwester», sagte Pascin. «Ich habe Geld. Was willst du trinken?»
« Une demi-blonde», sagte ich zu dem Kellner.
«Nimm einen Whisky. Ich habe Geld.»
«Ich mag Bier.»
«Wenn du wirklich gern Bier trinkst, wärst du bei Lipp's. Ich
nehme an, du hast gearbeitet?»
«Ja.»
«Geht es?»
«Ich hoffe.»
«Gut. Das freut mich. Und alles schmeckt noch gut?»
«Ja.»
«Wie alt bist du?»
«Fünfundzwanzig.»
«Willst du sie bumsen?» Er blickte die Dunkle an und lächelte.
«Sie braucht es.»
«Wahrscheinlich haben Sie sie heute genug gebumst?»
Sie lächelte mich mit geöffneten Lippen an. «Er ist schlimm»,
sagte sie. «Aber er ist nett.»
«Du kannst mit ihr rüber ins Atelier gehen.»
«Macht keine Ferkeleien», sagte die blonde Schwester.
«Wer hat mit dir gesprochen?» fragte sie Pascin.
«Niemand. Aber ich hab's gesagt.»
«Laßt uns gemütlich sein», sagte Pascin. «Der ernsthafte junge
Schriftsteller und der freundliche, weise alte Maler und die zwei wunderschönen jungen Mädchen, die das ganze Leben vor sich haben.»
Wir saßen da, und die Mädchen nippten an ihren Getränken, und Pascin trank noch eine fine à l'eau und ich trank mein Bier, aber außer Pascin fühlte sich niemand gemütlich. Das dunkle Mädchen war ruhelos, sie saß zur Schau, wandte ihr Profil ab und ließ das Licht auf die konkaven Flächen ihres Gesichts fallen und zeigte mir ihre Brüste, die von dem schwarzen Sweater umspannt wurden. Ihr Haar war kurz geschnitten und glatt und dunkel wie das einer Orientalin.
«Du hast den ganzen Tag Modell gesessen», sagte Pascin zu ihr. «Mußt du jetzt hier im Café den Sweater vorführen?»
«Es macht mir Vergnügen», sagte sie.
«Du siehst wie ein javanisches Spielzeug aus.»
«Nicht die Augen», sagte sie. «Es ist schon etwas komplizierter.»
«Du siehst wie eine arme, verderbte poupée aus», sagte er.
«Vielleicht», sagte sie. «Aber ich bin lebendig. Das ist mehr, als du bist.»
«Das wollen wir noch sehen.»
«Schön», sagte sie. «Ich habe gern Beweise.»
«Hast du heute keine bekommen?»
«Ach das», sagte sie und drehte sich weg, um das letzte abendliche Licht auf ihrem Gesicht aufzufangen. «Du warst einfach erregt von deiner Arbeit. Er ist in seine Leinwände verliebt», sagte sie zu mir. «Da ist immer was Schmutziges bei.»
«Du willst, daß ich dich male und dich bezahle und dich bumse, um einen klaren Kopf zu haben, und auch noch in dich verliebt bin», sagte Pascin. «Du arme kleine Puppe.»
«Sie mögen mich, nicht wahr, Monsieur?»
«Sehr.»
«Aber Sie sind zu groß», sagte sie betrübt.
«Im Bett sind alle gleich groß.»
«Das ist nicht wahr», sagte die Schwester. «Und ich hab dieses Gerede satt.»
«Hör mal», sagte Pascin, «wenn du denkst, daß ich in die Leinwand verliebt bin, mal ich dich morgen in Wasserfarben.»
«Wann gehen wir essen?» fragte ihre Schwester. «Und wo?»
«Essen Sie mit uns?» fragte das dunkle Mädchen.
«Nein. Ich gehe mit meiner le'gitime essen.» So nannte man es damals. Heute sagt man «meine regulière».
«Müssen Sie gehen?»
«Muß und möchte.»
«Dann geh mal», sagte Pascin. «Und verlieb dich nicht in dein Schreibmaschinenpapier.»
«Wenn ich's tue, schreib ich mit 'nem Bleistift.»
«Morgen Wasserfarben», sagte er. «Gut, Kinderchen. Ich trinke noch einen, und dann essen wir, wo ihr wollt.»
«Chez Viking.»
«Ich auch», drängte die Schwester.
«Schön», stimmte Pascin zu. «Gute Nacht, jeune komme.
Schlafen Sie gut.»
«Sie auch.»
«Die halten mich wach», sagte er. «Ich schlafe nie.»
«Schlafen Sie heute nacht.»
«Nach Chez les Vikings?» Er grinste, den Hut auf dem
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