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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sehr mürrisch», sagte er. «Nein.»
    «Doch, das sind Sie. Sie müßten mehr rumkommen. Ich kam an Ihren Tisch ran, um Sie zu unseren kleinen Abenden aufzufordern, die wir in dem amüsanten Bal Musette nah von der Place Contrescarpe in der Rue Cardinal-Lemoine veranstalten.»
    «Ich habe zwei Jahre lang direkt darüber gewohnt, ehe Sie dieses
letzte Mal nach Paris kamen.»
«Wie seltsam. Sind Sie sicher?»
    «Ja», sagte ich. «Ich weiß es genau. Der Mann, dem es gehörte, hatte ein Taxi, und wenn ich früh ein Flugzeug bekommen mußte, fuhr er mich zum Flughafen hinaus, und ehe wir nach dem Flugplatz aufbrachen, blieben wir an der Zinktheke vom Bai stehen und tranken ein Glas Weißwein in der Dunkelheit.»
    «Ich habe mir nie etwas aus dem Fliegen gemacht», sagte Ford. «Sie und Ihre Frau sollten Sonnabendabend zum Bai Musette kommen. Es ist ganz lustig. Ich zeichne Ihnen einen Plan auf, damit Sie es finden können. Ich bin durch puren Zufall reingestolpert.»
    «Es ist unten im Haus Rue Cardinal-Lemoine 74», sagte ich. «Ich habe im dritten Stock gewohnt.»
    «Es hat keine Nummer», sagte Ford. «Aber Sie werden es schon finden, wenn Sie die Place Contrescarpe finden können.»
    Ich trank noch einen langen Schluck. Der Kellner hatte Fords Getränk gebracht, und Ford wies ihn zurecht. «Ich wollte keinen Cognac mit Soda», sagte er behilflich, aber streng. «Ich habe einen chambéry
    vermouth und cassis bestellt.»
    «Geht in Ordnung, Jean», sagte ich. «Ich nehme die fine. Bringen Sie
Monsieur, was er jetzt bestellt hat.»
«Was ich bestellt hatte», verbesserte Ford.
    In dem Augenblick ging ein ziemlich hagerer Mann, der ein Cape trug, auf dem Bürgersteig vorbei. Er war mit einer großen Frau, und er warf einen Blick auf unseren Tisch, und dann sah er weg und ging seines Wegs, den Boulevard hinunter.
    «Sahen Sie, wie ich ihn geschnitten habe?» sagte Ford. «Sahen Sie,
wie ich ihn geschnitten habe?»
«Nein. Wen haben Sie geschnitten?»
    «Belloc», sagte Ford, «und ob ich ihn geschnitten habe!»
    «Ich habe es nicht gesehen», sagte ich. «Warum haben Sie ihn geschnitten?»
    «Aus jedem nur denkbaren Grunde», sagte Ford, «habe ich ihn durchgeschnitten, wie?»
    Er war völlig und vollständig glücklich. Ich hatte Belloc noch nie gesehen, und ich glaube nicht, daß er uns gesehen hatte. Er sah wie ein Mann aus, der sich gerade etwas überlegt, und hatte fast automatisch unseren Tisch mit den Augen gestreift. Mir war es sehr unangenehm, daß Ford sich so grob gegen ihn benommen hatte, da ich ein junger Mann war, der gerade anfing sich zu bilden und großen Respekt vor ihm als älterem Schriftsteller hatte. Das ist jetzt unverständlich, aber in jenen Tagen war es etwas Selbstverständliches.
    Ich dachte, wie nett es gewesen wäre, wenn Belloc an unserem Tisch stehengeblieben wäre und ich ihn kennengelernt hätte. Der Nachmittag war durch Ford verdorben worden, aber ich dachte, Belloc hätte es wettmachen können.
    «Wozu trinken Sie Cognac?» fragte mich Ford. «Wissen Sie nicht, daß es für einen jungen Schriftsteller verhängnisvoll ist, wenn er mit Cognac trinken anfängt?»
    «Das trinke ich nicht sehr oft», sagte ich. Ich versuchte mich an das zu erinnern, was mir Ezra Pound über Ford erzählt hatte, daß ich niemals grob zu ihm sein dürfe, daß ich im Sinn behalten müsse, daß er nur log, wenn er sehr müde war, daß er wirklich ein sehr guter Schriftsteller sei und daß er gerade sehr schlimme, häusliche Unannehmlichkeiten hinter sich hatte. Ich gab mir große Mühe, an all das zu denken, aber die krächzende, plumpe, widrige Gegenwart von Ford - ganz nah, auf Armeslänge - machte es schwierig. Doch ich versuchte es.
    «Sagen Sie mir, warum man Leute schneidet?» fragte ich. Bisher hatte ich geglaubt, daß es etwas wäre, was nur in den Romanen der Ouida vorkäme. Ich war nie fähig gewesen, einen Roman der Ouida zu lesen, nicht einmal in irgendeinem Skiort in der Schweiz, wo der Lesestoff ausgegangen war, als der feuchte Südwind gekommen war und es nur die zurückgelassenen Tauchnitzaus gaben von vor dem Kriege gab. Aber irgendein sechster Sinn sagte mir mit Bestimmtheit, daß sich die Leute in ihren Romanen schnitten.
    Ford erklärte: «Ein Gentleman wird immer einen Schuft schneiden.»
Ich trank schnell einen Schluck Cognac.
«Würde er einen Strolch schneiden?»
    «Ein Gentleman kann unmöglich einen Strolch kennen.»
    «Dann kann man nur jemanden schneiden, mit dem man auf dersel
ben

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