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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Stufe gestanden hat?» setzte ich fort.
«Natürlich.»
«Wie kann man denn je einen Schuft kennenlernen?»
    «Möglich, daß Sie's gar nicht wissen, oder der Bursche kann ein Schuft geworden sein.»
    «Was ist ein Schuft?» fragte ich. «Ist es nicht jemand, den man um
Haaresbreite totprügeln muß?»
«Nicht notwendigerweise», sagte Ford.
«Ist Ezra ein Gentleman?»
    «Natürlich nicht», sagte Ford. «Er ist ein Amerikaner.» «Kann ein Amerikaner nicht ein Gentleman sein?»
    «Vielleicht John Quinn», erklärte Ford, «und gewisse amerikanische
Botschafter.»
«Myron T. Herrick?»
«Möglicherweise.»
«War Henry James ein Gentleman?»
«Beinahe.»
«Sind Sie ein Gentleman?»
    «Natürlich. Ich habe das Offizierspatent von Seiner Majestät erhalten.»
    «Es ist sehr kompliziert», sagte ich. «Bin ich ein Gentleman?»
«Bestimmt nicht», sagte Ford.
«Warum trinken Sie dann mit mir?»
«Ich trinke mit Ihnen, weil Sie ein vielversprechender junger Schrift
steller sind. Sozusagen als Berufsgenosse.»
«Nett von Ihnen.»

«In Italien könnte man Sie für einen Gentleman halten», sagte Ford
großmütig.
«Aber ich bin kein Schuft?»
    «Natürlich nicht, mein Lieber. Wer hat je so etwas gesagt?»
    «Ich konnte einer werden», sagte ich betrübt. «Schnapstrinken und
all so was. Bei Trollope tat's das für Lord Harry Hotspur. Sagen Sie mir,
war Trollope ein Gentleman?»
«Natürlich nicht.»
«Sind Sie sicher?»
«Es mag zwei Meinungen hierüber geben, nach meiner nicht.»
«War Fielding einer? Er war Richter.»
«Theoretisch vielleicht.»
«Marlowe?»
«Natürlich nicht.»
«John Donne?»
«Der war ein Pfaffe.»
«Das ist faszinierend», sagte ich.
    «Ich freue mich, daß Sie Interesse hierfür haben», sagte Ford. «Ehe Sie gehen, will ich noch mit Ihnen eine fine à l'eau trinken.» Nachdem Ford wegging, war es dunkel, und ich ging hinüber zu dem Kiosk und kaufte einen Paris-Sport Complet , die letzte Ausgabe der Rennzeitung mit den Ergebnissen von Auteuil und den Informationen für das Rennen am nächsten Tag in Enghien. Der Kellner Emile, der Jean abgelöst hatte, kam an meinen Tisch, um die letzten Resultate von Auteuil zu hören. Ein sehr guter Freund von mir, der selten in die Closerie kam, kam an meinen Tisch ran und setzte sich, und gerade da, als mein Freund etwas bei Emile zu trinken bestellen wollte, kam der hagere Mann im Cape mit der großen Frau an uns auf dem Bürgersteig vorbei. Sein Blick schweif te zu unserem Tisch hinüber und dann ins Weite.
    «Das ist Hilaire Belloc», sagte ich zu meinem Freund. «Ford war heute nachmittag hier und hat ihn völlig geschnitten.»
    «Sei kein Hornochse», sagte mein Freund. «Das ist Alestair Crowley, der Teufelsanbeter. Er soll der lasterhafteste Mensch der Welt sein.» «Entschuldige», sagte ich.

    Die Geburt einer Neuen Schule

    Die Notizbücher mit den blauen Rücken, die zwei Bleistifte und der Bleistiftanspitzer (ein Taschenmesser war zu verschwenderisch), die Tische mit den Marmorplatten, der Geruch des frühen Morgens, des Ausfegens und Aufwischens und Glück, war alles, was du brauchtest. Als Talisman trugst du eine Kastanie und eine Hasenpfote in der rechten Tasche. Das Fell von der Hasenpfote war schon lange abgeschabt, und die Knochen und Sehnen waren durchs Tragen poliert. Die Krallen ribbelten das Futter deiner Tasche auf, und du wußtest, dein Glück war noch da.
    Manche Tage ging es so gut, daß du das Land vor dir hattest, daß du durch den Wald in es hineingehen konntest, um auf einer Lichtung herauszukommen und dich zu einer Anhöhe hinaufzuarbeiten und die Hügel jenseits der Ausbuchtung des Sees zu sehen. Eine Bleistiftspitze konnte in der kegelförmigen Öffnung des Bleistiftanspitzers abbrechen, und du benutztest die kleine Klinge des Taschenmessers, um sie herauszuholen, oder sonst spitztest du den Bleistift mit der scharfen Klinge sorgfältig an, und dann stecktest du deinen Arm durch das schweiß getränkte Leder des Rucksackriemens, um den Packen von neuem anzuheben, stecktest den anderen Arm durch, spürtest, wie sich das Gewicht auf deinem Rücken verlagerte, und spürtest die Fichtennadeln unter deinen Mokassins, wie du zum See hinunter aufbrachst. Dann hörst du, wie jemand «Tag, Hern» sagt. «Was machst du denn da? Versuchst du im Café zu schreiben?»
    Mit deinem Glück war es aus, und du machst dein Notizbuch zu. Das war das Schlimmste, was passieren konnte. Falls du dich beherrschen konntest, um so besser, aber ich konnte

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