Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
weitermachten, und ich konnte sehen, wie er darauf wartete und hoffte, daß Ezra verletzt werden würde, da er nichts von dem verstand, was vor sich ging. Es geschah nichts. Ich konterte keinmal, sondern hielt Ezra in Bewegung, der auf mich losging und seine Linke vorstreckte und ein paar Rechte abschoß, und dann sagte ich, wir seien fertig, wusch mich mit Wasser aus einem Krug, rubbelte mich ab und zog mein Trikot an.

    Wir tranken irgend etwas, und ich hörte zu, während sich Ezra und Lewis über Leute in London und Paris unterhielten. Ich beobachtete Lewis aufmerksam, ohne daß es den Anschein hatte, daß ich ihn ansah, so wie man es beim Boxen tut, und ich glaube nicht, daß ich je einen Menschen gesehen habe, der widerlicher aussah. Manche Menschen zeigen das Böse so deutlich, wie ein edles Rennpferd seine Rasse zeigt. Sie haben die Würde eines harten chancre. Lewis sah man das Böse nicht an; er sah einfach widerlich aus.

    Auf dem Weg nach Hause versuchte ich festzustellen, woran er mich erinnerte, und es fiel mir verschiedenes ein. Alles medizinische Dinge bis auf Zehenkäse, und das war ein Jargonausdruck. Ich versuchte sein Gesicht zu zerlegen und es zu beschreiben, aber es gelang mir nur mit seinen Augen. Als ich sie zum erstenmal erblickte, waren seine Augen unter dem schwarzen Hut die eines erfolglosen Lustmörders gewesen.

    «Ich habe heute den widerlichsten Mann kennengelernt, den ich je gesehen habe», erzählte ich meiner Frau.

    «Tatie, erzähl mir nicht von ihm», sagte sie. «Bitte erzähl mir nicht von ihm. Wir wollen gleich essen.»

    Ungefähr eine Woche danach traf ich Miss Stein und erzählte ihr, daß ich Wyndham Lewis getroffen hätte, und fragte sie, ob sie ihn je getroffen habe.

    «Ich nenne ihn den Meßwurm», sagte sie. «Er kommt aus London herüber, und er sieht ein gutes Bild und nimmt seinen Bleistift aus der Tasche, und beobachten Sie mal, wie er mit dem Daumen an seinem Bleistift maßnimmt. Er visiert und mißt und sieht sich genau an, wie es gemacht ist. Dann fährt er nach London zurück und macht es, aber es gelingt nicht recht. Ihm ist entgangen, worauf es wirklich ankommt.»

          Also dachte ich an ihn als den Meßwurm. Das war eine freundlichere und christlichere Bezeichnung als diejenige, die ich selbst für ihn im Sinn gehabt hatte. Später versuchte ich ihn zu mögen und mich mit ihm anzufreunden, wie ich es beinahe mit allen Freunden von Ezra tat, nachdem er mir ihr Wesen erklärt hatte. Aber so erschien er mir an dem Tag, als ich ihn in Ezras Studio kennenlernte.

    Ezra war der großzügigste Schriftsteller, den ich je gekannt habe, und der uneigennützigste. Er half Dichtern, Malern, Bildhauern und Prosaschriftstellern, an die er glaubte, und er half jedem, wenn er in Schwierigkeiten war, ob er an ihn glaubte oder nicht. Er sorgte sich um alle, und zu der Zeit, als ich ihn kennenlernte, sorgte er sich am meisten um T. S. Eliot, der, wie mir Ezra erzählte, in einer Bank in London arbeiten mußte und deshalb nicht genügend Zeit und Muße hatte, um sich als Dichter zu betätigen.

    Ezra gründete gemeinsam mit Miss Nathalie Barney, die eine reiche Amerikanerin und Schutzpatronin der Künste war, etwas, das sich Bei Esprit nannte. Miss Barney war mit Rémy de Gourmont, der vor meiner Zeit war, befreundet gewesen, und sie hielt an festen Tagen ‹Salon› in ihrem Haus, und in ihrem Garten hatte sie einen kleinen griechischen Tempel. Viele Amerikanerinnen und Französinnen mit genügend Geld hielten ‹Salon› und mir wurde sehr bald klar, daß ich diesen fabelhaften Stätten fernbleiben sollte, aber ich glaube, Miss Barney war die einzige, die einen kleinen griechischen Tempel in ihrem Garten hatte.

    Ezra zeigte mir die Broschüre für Bel Esprit, und Miss Barney hatte ihm erlaubt, den kleinen griechischen Tempel auf der Broschüre zu verwenden. Die Idee, die Bei Esprit zugrunde lag, war, daß wir alle einen Teil von dem, was wir verdienten, beisteuern sollten, um einen Fonds zu schaffen, so daß Mr. Eliot genug Geld haben würde, um die Bank verlassen zu können und Gedichte zu schreiben. Das schien mir eine gute Idee zu sein, und nachdem wir Mr. Eliot aus der Bank herausgeholt hatten, plante Ezra, daß wir genauso weitermachen sollten, um alle sicherzustellen.

    Ich brachte die Dinge ein wenig durcheinander, indem ich immer statt von Eliot von Major Eliot sprach und vorgab, ihn mit Major Douglas zu verwechseln, einem Nationalökonom, für dessen Ideen

Weitere Kostenlose Bücher