Paris, Ein Fest Fürs Leben
behaglich machen, bis ich komme.»
Ich mißbrauchte dies nicht, aber manchmal sprach ich vor, und das Mädchen pflegte mir einen Drink zu geben, und ich betrachtete die Bilder, und wenn Miss Stein nicht erschien, bedankte ich mich bei dem Mädchen, hinterließ eine Bestellung und ging fort. Miss Stein und ihre Gesellschafterin machten Vorbereitungen, um in Miss Steins Auto in den Süden zu fahren, und an diesem Tag hatte mich Miss Stein gebeten, vormittags vorbeizukommen, um auf Wiederse
hen zu sagen. Sie hatte uns aufgefordert, sie zu besuchen - Hadley und ich sollten als ihre Gäste im Hotel wohnen -, aber Hadley und ich hatten andere Pläne und vor, an andere Orte zu fahren. Natürlich sagt man nichts davon, sondern hofft, hin zu können, aber dann ist es leider unmöglich. Ich wußte sehr wenig über das System, andere Leute nicht zu besuchen. Ich hatte noch viel zuzulernen. Viel später erzählte mir Picasso, daß er den reichen Leuten, wenn sie ihn einluden, immer versprach, zu kommen, weil es sie so glücklich machte, und dann kam etwas dazwischen, und es war ihm unmöglich zu kommen. Aber das hatte nichts mit Miss Stein zu tun; er sprach von anderen Leuten.
Es war ein schöner Frühlingstag, und ich ging von der Place de l'Observatoire durch den kleinen Luxembourg. Die Kastanienbäume standen in Blüte, und viele Kinder spielten auf den Kieswegen, während ihre Kinderfrauen auf den Bänken saßen, und ich sah Ringeltauben in den Bäumen und hörte andere, die ich nicht sehen konnte.
Das Mädchen öffnete die Tür, noch ehe ich klingelte, und hieß mich hereinkommen und warten. Miss Stein würde jeden Augenblick herunterkommen. Es war noch vor Mittag, aber das Mädchen goß mir ein Glas eau de vie ein, gab es mir in die Hand und zwinkerte mir vergnügt zu. Der farblose Alkohol fühlte sich gut auf der Zunge an, und ich hatte ihn noch im Munde, als ich jemanden mit Miss Stein sprechen hörte, wie ich noch nie einen Menschen mit einem anderen Menschen hatte sprechen hören; nie und nirgends.
Dann hörte man Miss Steins Stimme entschuldigend und bettelnd sagen: «Nicht, Katzi. Nicht. Nicht, bitte nicht. Ich werde alles tun, Katzi, aber bitte tu es nicht. Bitte nicht. Bitte nicht, Katzi.»
Ich schluckte den Alkohol hinunter und stellte das Glas auf den Tisch und ging auf die Tür zu. Das Mädchen winkte mir und flüsterte: «Gehen Sie nicht. Sie kommt sofort herunter.»
«Ich muß gehen», sagte ich und versuchte beim Weggehen, nicht noch mehr zu hören, aber es ging immer weiter, und die einzige Möglichkeit, nichts mehr zu hören, war, nicht mehr da zu sein. Es war schlimm, es mitanzuhören, und die Antworten wurden schlimmer.
Im Hof sagte ich zu dem Mädchen: «Bitte sagen Sie, daß ich im Hof war und Sie getroffen habe. Daß ich nicht warten konnte, weil einer meiner Freunde krank ist. Wünschen Sie ihr gute Reise
von mir. Ich werde schreiben.»
«C'est entendu Monsieur. Wie schade, daß Sie nicht warten können.»
«Ja», sagte ich. «Wie schade.»
Auf diese Art endete es für mich, dumm genug, obgleich ich ihr noch all die kleinen Dienste erwies, mich gegebenenfalls bei ihr einfand, Leute hinbrachte, die sie sprechen wollte, und mit den meisten anderen männlichen Freunden auf meine Entlassung wartete, als jene Zeit kam und die neuen Freunde einzogen. Es war traurig, neue, wertlose Bilder zwischen den großartigen Bildern hängen zu sehen, aber das machte keinen Unterschied mehr. Wenigstens nicht für mich. Sie verzankte sich beinahe mit allen von uns, die sie gern hatten, außer mit Juan Gris, und mit ihm konnte sie sich nicht zanken, weil er tot war. Ich weiß nicht, ob es ihm viel ausgemacht hätte, weil er jenseits von all dem war - das zeigte sich in seinen Bildern.
Schließlich zankte sie sich auch mit den neuen Freunden, aber keiner von uns verfolgte das mehr. Sie sah mehr und mehr wie ein römischer Kaiser aus, und das war großartig für die, die es mochten, wenn ihre Frauen wie römische Kaiser aussahen. Aber Picasso hatte sie gemalt, und ich konnte mich an sie erinnern, als sie wie eine Frau aus Friaul aussah.
Am Ende freundeten sich alle oder nicht ganz alle wieder an, um nicht mufflig oder rechthaberisch zu sein. Ich tat es auch, aber ich konnte mich niemals aufrichtig wieder anfreunden, weder gefühlsmäßig noch verstandesmäßig. Das Schlimmste ist, wenn einen der Verstand hindert, von neuem Freundschaften zu schließen. Aber es war noch viel
Weitere Kostenlose Bücher