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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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komplizierter.

    Der Mann, der vom Tode gezeichnet war

    An dem Nachmittag, an dem ich Ernest Walsh, den Dichter, in Ezras Atelier kennenlernte, war er mit zwei Mädchen in langen Nerzmänteln dort, und ein langer, glänzender Mietwagen vom Claridge mit einem uniformierten Chauffeur stand draußen auf der Straße. Die Mädchen waren Blondinen, und sie hatten auf demselben Schiff wie Walsh den Ozean überquert. Das Schiff war den Tag zuvor angekommen, und er hatte sie mitgenommen, um Ezra zu besuchen. Ernest Walsh war dunkel, heftig, makellos irisch, poetisch und

    deutlich vom Tode gezeichnet, wie ein Typ in einem Film vom Tode gezeichnet ist. Er unterhielt sich mit Ezra, und ich unterhielt mich mit den Mädchen, die mich fragten, ob ich Mr. Walshs Gedichte gelesen hätte. Ich hatte sie nicht gelesen, und eine von ihnen brachte ein grün broschiertes Exemplar von Harriet Monroes Poetry. A Magazine of Verse zum Vorschein und zeigte mir darin Gedichte von Walsh.

    «Er bekommt zwölfhundert Dollar pro Stück», sagte sie.

    «Für jedes Gedicht», sagte das zweite Mädchen.

    Meiner Erinnerung nach bekam ich von derselben Zeitschrift zwölf Dollar die Seite, wenn nicht weniger. «Er muß ein sehr großer Dichter sein», sagte ich.

    «Das ist mehr als Eddie Guest bekommt», erzählte mir das erste Mädchen.

    «Es ist mehr als - wie heißt der andere Dichter noch - bekommt? Du weißt schon.»

    «Kipling», sagte ihre Freundin.

    «Es ist mehr, als irgendwer je bekommt», sagte das erste Mädchen.

    «Werden Sie sehr lange in Paris bleiben?» fragte ich sie.

    «Ach nein. Eigentlich nicht. Wir sind mit Freunden hier.»

    «Wissen Sie, wir sind mit dem Schiff herübergekommen. Aber es war eigentlich kein Mensch darauf. Natürlich war Mr. Walsh darauf.»

    «Spielt er nicht Karten?» fragte ich.

          Sie sah mich enttäuscht, aber verständnisvoll an.

    «Nein. Das hat er nicht nötig. Nicht, wenn man Gedichte schreiben kann, wie er sie schreibt.»

    «Mit welchem Schiff fahren Sie zurück?»

    «Das kommt ganz darauf an. Es hängt von den Schiffen ab und von einer Menge anderer Dinge. Fahren Sie zurück?»

    «Nein. Ich komme hier ganz gut zurecht.»

    «Dies hier ist wohl so etwas wie das Armenviertel, nicht wahr?»

    «Ja, aber es ist recht annehmbar. Ich arbeite in den Cafés, und ich bin draußen auf der Rennbahn.»

    «Können Sie in diesem Anzug zum Rennen gehen?»

    «Nein. Das ist mein Café-Aufzug.»

          «Es ist irgendwie reizend», sagte das eine Mädchen. «Ich wür

    de gern etwas von dem Leben im Café sehen. Du nicht auch, Liebes?»

    «Ja, doch», sagte das andere Mädchen. Ich schrieb ihre Namen in meinem Adreßbuch nieder und versprach, sie im Claridge anzurufen. Es waren nette Mädchen, und ich sagte ihnen und Ezra und Walsh Lebewohl. Walsh redete immer noch auf Ezra ein.

    «Vergessen Sie es nicht», sagte das größere Mädchen.

    «Wie könnte ich?» sagte ich zu ihr und schüttelte beiden noch einmal die Hand.

    Das nächste, was mir Ezra von Walsh erzählte, war, daß er von einigen Poesieliebhaberinnen und von einigen jungen Dichtern, die vom Tode gezeichnet waren, aus dem Claridge au sgelöst worden sei, und das nächste, ziemlich kurz danach, daß er von anderer Seite eine finanzielle Unterstützung erhalte und dabei war, als Mitherausgeber eine neue Vierteljahreszeitschrift zu gründen.

    Zu der Zeit setzte Dial, eine amerikanische literarische Zeitschrift, die Scofield Thayer herausgab, alljährlich einen Preis von, ich glaube, tausend Dollar für die vollkommenste, literarische Leistung eines ihrer Mitarbeiter aus. Das war in jenen Tagen für einen ehrlichen Schriftsteller eine Riesensumme, ganz abgesehen von dem Prestige, und die Auszeichnung war bereits verschiedenen Leuten zuteil geworden, die sie natürlich alle verdient hatten. Zwei Menschen konnten damals in Europa gut und bequem von fünf Dollar pro Tag leben - und reisen.

    Von der Vierteljahreszeitschrift, deren einer Herausgeber Walsh war, wurde behauptet, daß sie nach den ersten vier Nummern dem Mitarbeiter, dessen Beitrag man für den besten hielt, eine beträchtliche Summe zuerkennen würde.

    Ob diese Nachricht durch Klatsch oder Gerüchte verbreitet worden war, oder ob es eine Frage persönlichen Vertrauens war, läßt sich nicht sagen. Hoffen und glauben wir weiter, daß es in jeder Hinsicht völlig ehrenhaft zugegangen ist. Bestimmt konnte man niemals Walshs Mitherausgeberin etwas vorwerfen oder

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