Paris, Ein Fest Fürs Leben
unterstellen. Nicht lange nachdem mir Gerüchte über diese angebliche Auszeichnung zu Ohren gekommen waren, lud mich Walsh zum Mittagessen ein, und zwar in das beste und teuerste Lokal des Boulevard Saint-Michel-Viertels, und nach den Austern, teuren, flachen, leicht kupfrigen marerines, nicht den üblichen tiefen, billigen portugaises, und einer Flasche Pouilly Fuissé kam er behutsam darauf zu spre
chen. Allem Anschein nach schwindelte er mir etwas vor, so wie er den beiden Lockvögeln auf dem Schiff etwas vorgeschwindelt hatte, falls es überhaupt Lockvögel waren und falls er ihnen wirklich etwas vorgeschwindelt hatte, und als er mich fragte, ob ich noch ein Dutzend von den flachen Austern, wie er sie nannte, essen wollte, sagte ich, daß ich sie mit Vergnügen essen würde. Er gab sich mir gegenüber keine Mühe, wie vom Tode gezeichnet auszusehen, und das war eine Erleichterung. Er wußte, daß ich wußte, daß er Tb hatte, und zwar die Tb, an der man damals starb, und wie schlimm es war, und er ersparte sich die Mühe, bei Tisch zu husten, und ich war dankbar dafür. Ob er wohl die flachen Austern aus demselben Grund aß, wie die Huren in Kansas City, die, vom Tode und faktisch von allem übrigen gezeichnet waren, immer Sperma als bestes Heilmittel gegen die Tb schlucken wollten? Aber ich fragte ihn nicht. Ich fing mit dem zweiten Dutzend flacher Austern an, nahm sie von dem silbernen Teller, von ihrem Lager von zerstampftem Eis, beobachtete ihre unglaublich zarten braunen Ränder, wie sie reagierten und sich zusammenzogen, als ich Zitronensaft auf sie träufelte und den Schließmuskel von der Muschel loslöste und sie abhob, um sie bedächtig herunterzuschlucken.
«Ezra ist ein großer, großer Dichter», sagte Walsh und blickte mich mit seinen eigenen dunklen Dichteraugen an.
«Ja», sagte ich, «und ein feiner Mensch.»
«Edel», sagte Walsh. «Wahrhaft edel.» Wir saßen und tranken schweigend, um Ezras Edelmut Tribut zu zollen. Ich vermißte Ezra und wünschte, er wäre da. Auch er konnte sich keine marennes leisten.
«Joyce ist groß», sagte Walsh. «Groß. Groß.»
«Groß», sagte ich. «Und ein guter Freund.» In der wunderbaren Periode, nachdem er seinen Ulysses beendet hatte, und ehe er mit dem begann, was lange Zeit Work in Progress hieß, waren wir Freunde geworden. Ich dachte an Joyce und erinnerte mich an viele Dinge.
«Ich wünschte, seine Augen wären besser», sagte Walsh.
«Wünscht er auch», sagte ich.
«Das ist die Tragödie unserer Zeit», sagte Walsh zu mir.
«Jedem fehlt irgendwas», sagte ich und versuchte, unser Lunch etwas aufzuheitern.
«Ihnen doch nicht.» Er ließ seinen ganzen Charme und mehr
auf inich los, und dann gab er sich wieder wie vom Tode gezeichnet.
«Meinen Sie, ich bin nicht vom Tode gezeichnet?» fragte ich. Ich konnte nicht anders.
«Nein. Sie sind vom LEBEN gezeichnet.» Er setzte das Wort in Großbuchstaben.
«Geben Sie mir Zeit», sagte ich.
Er wollte ein schönes blutiges Steak, und ich bestellte zwei Tournedos mit Sauce Béarnaise. Ich dachte, Butter würde gut für ihn sein.
«Wie wär's mit einem Rotwein?» fragte er. Der sommelier kam, und ich bestellte Châteauneuf du Pape. Ich würde ihn mir nachher auf den Quais wieder ablaufen. Er konnte ihn ausschlafen oder tun, was er wollte. Ich konnte mit meinem auch irgendwohin gehen, dachte ich.
Es kam, als wir mit dem Steak und den Pommes frites fertig waren und unseren Chäteauneuf du Pape zu zwei Dritteln geleert hatten.
«Es hat keinen Sinn, wie die Katze um den heißen Brei zu gehen», sagte er. «Sie wissen wohl, daß Sie die Auszeichnung bekommen, nicht wahr?»
«Wirklich?» sagte ich. «Warum?»
«Sie werden sie bekommen», sagte er. Er fing an, über meine Arbeit zu reden, und ich hörte auf, zuzuhören. Mir wurde übel, wenn Leute mir ins Gesicht von meiner Arbeit redeten, und ich blickte ihn an und seine vom Tode gezeichnete Miene, und ich dachte, du Schwindler, du beschwindelst mich mit deiner Schwindsucht. Ich habe ein Bataillon im Staub der Landstraße gesehen, ein Drittel dem Tode oder Schlimmerem bestimmt - und keine besonderen Merkmale an ihnen, der Staub für alle, und du mit deiner vom Tode gezeichneten Miene, du Schwindler, machst aus deinem Tod deinen Lebensunterhalt. Jetzt wirst du mich beschwindeln. Schwindle nicht, damit du nicht beschwindelt wirst. Der Tod beschwindelte ihn nicht. Er kam schon.
«Ich finde nicht, daß ich es verdiene,
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