Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
Ernest», sagte ich und genoß es, ihn mit meinem eigenen Namen, den ich haßte, anzureden.

    «Außerdem, Ernest, würde es nicht moralisch sein, Ernest.»

    «Seltsam, daß wir denselben Namen haben, nicht?»

    «Ja, Ernest», sagte ich. «Es ist ein Name, dem wir beide gerecht werden müssen. Du verstehst doch, was ich meine, nicht wahr,

    Ernest?»

    «Ja, Ernest», sagte er. Er schenkte mir sein völliges, trauriges irisches Verständnis und seinen Charme.

    Also war ich immer sehr nett zu ihm und zu seiner Zeitschrift, und als er seine Blutstürze hatte und Paris verließ und mich bat, mich um den Druck seiner Zeitschrift zu kümmern, da die Leute kein Englisch konnten, tat ich das. Ich hatte so einen Blutsturz miterlebt, er war einwandfrei echt, und ich wußte, daß er bald sterben würde, und es machte mir Vergnügen zu der Zeit, die eine schwierige Zeit in meinem Leben war, außergewöhnlich nett zu ihm zu sein, so wie es mir Vergnügen machte, ihn Ernest zu nennen. Außerdem mochte und bewunderte ich seine Mitherausgeberin. Sie hatte mir keinerlei Auszeichnung versprochen. Sie wollte nur eine gute Zeitschrift herausgeben und ihre Mitarbeiter anständig bezahlen.

    Eines Tages, lange danach, traf ich Joyce, der den Boulevard Saint-Germain entlangkam, nachdem er allein in einer Matinee gewesen war. Er hörte den Schauspielern gern zu, wenn er sie auch nicht sehen konnte. Er forderte mich auf, etwas mit ihm zu trinken, und wir gingen in die Deux Magots und bestellten herben Sherry, obschon Sie immer lesen werden, daß er nur Schweizer Weißwein trank.

    «Was macht Walsh?» fragte Joyce.

    «Ein Soundso im Leben ist ein Soundso im Sterben», sagte ich.

    «Hat er Ihnen die Auszeichnung versprochen?» fragte Joyce.

          «Ja.»
    «Das habe ich mir gedacht», sagte Joyce.

    «Hat er sie Ihnen versprochen?»

    «Ja», sagte Joyce. Nach einer Weile fragte er: «Glauben Sie, daß er sie Pound versprochen hat?»

    «Ich weiß es nicht.»

    «Am besten, man fragt ihn nicht», sagte Joyce. Dabei beließen wir es. Ich erzählte Joyce von meiner ersten Begegnung mit ihm in Ezras Atelier mit den Mädchen in den langen Pelzmänteln, und es machte ihm Spaß, die Geschichte zu hören.

Evan Shipman in der Closerie

    Seit dem Tag, an dem ich Sylvia Beachs Bücherstube entdeckte, hatte ich alles von Turgenjew gelesen, das, was von Gogol auf englisch erschienen war, die Constance Garnettschen Übersetzungen von Tolstoj und die englischen Übersetzungen von Tschechow. In Toronto hatte man mir, noch ehe wir je nach Paris kamen, erzählt, daß Catherine Mansfield eine gute Kurzgeschichten-Autorin, ja selbst eine bedeutende Kurzgeschichten-Autorin sei, aber als ich versuchte, sie nach Tschechow zu lesen, war es, als ob man die sorgsam gekünstelten Geschichten einer jugendlichen alten Jungfer anhörte, und sie mit den Geschichten eines ausdrucksmächtigen und wissenden Arztes, der ein guter und einfacher Schriftsteller war, verglich. Die Mansfield war wie Fastbier*. Besser war's, man trank Wasser. Aber Wasser war Tschechow nicht - bis auf die Klarheit. Es gab einige Geschichten, die mir wie reiner Journalismus erschienen. Aber es gab auch ganz herrliche.

    Bei Dostojewski gab es glaubhafte Dinge und manche, die unglaubhaft waren, aber manches war so wahr, daß es einen beim Lesen veränderte; hier konnte man Gebrechlichkeit und Wahnsinn, Bosheit und Heiligkeit und den Irrsinn des Hasardspiels so kennenlernen, wie man die Landschaft und die Straßen bei Turgenjew kannte und die Truppenbewegungen, das Terrain und die Offiziere und die gewöhnlichen Soldaten und die Schlachten bei Tolstoj. Tolstoj ließ das, was Stephen Crane über den amerikanischen Bürgerkrieg geschrieben hatte, als das brillante Phantasiegebilde eines kranken Jungen erscheinen, der nie etwas vom Krieg gesehen, sondern nur in den Chroniken über Schlachten gelesen und die Bradyschen Fotografien gesehen hatte, die ich im Hause meiner Großeltern gelesen und gesehen hatte. Bevor ich Die Kartause von Parma von Stendhal las, hatte ich außer bei Tolstoj nie über Krieg, wie er wirklich war, gelesen, und der wundervolle Bericht über Waterloo von Stendhal war ein unerwarteter Lichtblick in einem recht langweiligen Buch. Auf diese ganze neue Welt der Bücher zu stoßen, mit Zeit zum Lesen in einer Stadt wie Paris, in der man irgendwie gut leben und arbeiten konnte, ganz gleich wie arm man war, das war, als sei einem ein großer Schatz geschenkt worden.

    * Der

Weitere Kostenlose Bücher