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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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oben auf dich warten lassen.»

    «Ich werde ihr Bescheid sagen», sagte ich.

    «Laß nur; ich kann immer hier warten. Jetzt in der Sonne ist es sehr angenehm, findest du nicht?»

    «Es ist jetzt Herbst», sagte ich. «Ich finde, du bist nicht warm genug angezogen.»

    «Es ist nur abends kühl», sagte Evan. «Ich werde meinen Mantel anziehen.»

    «Weißt du, wo er ist?»

    «Nein, aber er ist irgendwo gut aufgehoben.»

    «Woher weißt du?»

    «Weil ich das Gedicht darin ließ.» Er lachte herzhaft und hielt die Lippen fest über den Zähnen geschlossen. «Trink einen Whisky mit mir, bitte, Hem.»

          «Schön.»

    «Jean.» Evan stand auf und rief den Kellner. «Bitte zwei Whisky.» Jean brachte die Flasche und die Gläser und mit dem Syphon zwei Zehn-Francs-Untertassen. Er benutzte kein Maß und schenkte den Whisky ein, bis die Gläser mehr als dreiviertel voll waren. Jean liebte Evan, der an Jeans freiem Tag oft hinausfuhr und mit ihm in seinem Garten in Montrouge draußen, außerhalb der Porte d'Orléans, arbeitete.

    «Sie dürfen's nicht übertreiben», sagte Evan zu dem großen alten Kellner.

    «Das sind doch zwei Whiskies, nicht?» fragte der Kellner.

    Wir fügten Wasser hinzu, und Evan sagte: «Trink den ersten Schluck sehr vorsichtig, Hern. Ordentlich gehandhabt werden sie eine Zeitlang vorhalten.»

          «Tust du ein bißchen was für dich?» fragte ich.

    «Wahrhaftig, Hem. Aber wir wollen von was anderem reden, ja?»

    Außer uns saß niemand auf der Terrasse, und der Whisky wärmte uns beide, obwohl ich für den Herbst passender angezogen war als Evan, da ich ein Trikot als Unterzeug trug und dann ein Hemd und über dem Hemd einen blauen, wollenen französischen Matrosensweater.

    «Ich zerbreche mir den Kopf über Dostojewski», sagte ich. «Wie kann ein Mann so schlecht schreiben, so unbeschreiblich schlecht, und einen so tief ergreifen?»

    «Es kann nicht an der Übersetzung liegen», sagte Evan. «Tolstoj liest sich gut in ihrer Übersetzung.»

          «Ich weiß. Ich erinnere mich, wie viele Male ich versucht
habe, Krieg und Frieden zu lesen, ehe ich die Constance Garnettsche Übersetzung bekam.»

    «Man sagt, auch die könne vervollkommnet werden», sagte Evan. «Ich bin überzeugt davon, obschon ich kein Russisch kann. Aber wir beide kennen Übersetzungen. Trotzdem ist dabei ein phantastischer Roman herausgekommen, ich glaube, der großartigste, den es gibt, und man kann ihn wieder und wieder lesen.»

    «Ich weiß», sagte ich. «Aber Dostojewski kann man nicht wieder und wieder lesen. Ich hatte Schuld und Sühne auf einer Reise mit, als uns unten in Schruns die Bücher ausgingen, und selbst als wir gar nichts mehr zu lesen hatten, konnte ich es nicht noch mal lesen. Ich las die österreichischen Zeitungen und lernte Deutsch, bis wir einen Tauchnitzband mit etwas von Trollope fanden.»

    «Gott segne Tauchnitz», sagte Evan. Der Whisky hatte seinen feurigen Gehalt verloren und war jetzt, wenn man Wasser hinzufügte, einfach viel zu stark.

    «Dostojewski war ein Scheißer, Hem», sagte Evan. «Er schrieb am besten über Scheißer und Heilige. Er macht wundervolle Heilige. Es ist ein Jammer, daß wir ihn nicht noch mal lesen können.»

    «Ich will Die Brüder Karamesow noch mal versuchen. Es war wahrscheinlich meine Schuld.»

    «Manches kann man noch mal lesen. Das meiste davon. Aber dann fängt es an, einen zu verärgern, ganz gleich, wie großartig es ist.»

    «Ja, wir haben Glück gehabt, daß wir's zum erstenmal zum Lesen hatten, und vielleicht wird es mal eine bessere Übersetzung geben.»

    «Aber laß dich nicht dazu verleiten, Hem.»
«Werde ich schon nicht. Ich versuche es so zu lesen, daß es anders
wird, ohne daß man's merkt, und je öfter man's liest, desto mehr wird
man darin finden.»

    «Gut; ich setze auf dich. Prost, mit Jeans Whisky», sagte Evan.

    «Wenn er so was tut, wird er Ärger kriegen», sagte ich.

    «Er hat bereits Ärger», sagte Evan.

    «Wieso?»

    «Die Geschäftsführung wechselt. Die neuen Besitzer wollen eine andere Sorte Kundschaft, eine, die Geld ausgeben wird, und sie

    werden eine American Bar einrichten. Die Kellner werden in weiße Jacken gesteckt, Hem, und sie sollen sich bereit halten, ihre Schnurrbarte abzunehmen.»

          «Das können sie doch André und Jean nicht antun.»
    «Sie sollten es nicht; aber sie werden's tun.»

    «Jean hat sein ganzes Leben lang einen Schnurrbart gehabt. Das ist ein

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