Paris, Ein Fest Fürs Leben
Ausdruck near-beer rührt aus der Prohibitionszeit her. Ein Witzbold meinte, der Erfinder des near-beer ha be kein Gefühl für Entfernungen gehabt. (Anm. d. Ü.)
Auch wenn man reiste, konnte man diesen Schatz mitnehmen; in den Bergen in der Schweiz und in Italien, wo wir lebten, ehe wir Schruns im Hochtal des Vorarlbergs in Österreich entdeckt hatten, immer gab es die Bücher, so daß man tagsüber der neuentdeckten Welt mit ihrem Schnee, dem Wald, den Gletschern und ihren winterlichen Problemen im hochgelegenen, gastlichen Hotel Taube im Dorf lebte, während man nachts in der anderen Welt leben konnte, die die russischen Schriftsteller schenkten. Zuerst waren es die Russen, dann gab es all die anderen. Aber lange Zeit über waren es die Russen.
Ich erinnere mich, wie ich Ezra eines Tages - nachdem wir vom Tennisspielen draußen am Boulevard Arago nach Hause gegangen waren und er mich auf einen Drink ins Studio eingeladen hatte - fragte, was er wirklich über Dostojewski dachte.
«Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, Hern», sagte Ezra, «ich habe die Rrrrussen nie gelesen.»
Es war eine eindeutige Antwort, und Ezra hatte mir buchstäblich nie eine andere Art gegeben, aber ich fühlte mich gräßlich, denn hier war der Mann, den ich damals als Kritiker am liebsten mochte und am meisten schätzte, der Mann, der an das motjuste glaubte - das eine und einzig treffende Wort -, der Mann, der mich gelehrt hatte, Adjektiven zu mißtrauen, so wie ich später lernen sollte, gewissen Leuten in gewissen Situationen zu mißtrauen, und ich wollte seine Meinung über einen Mann hören, der fast nie das mot juste benutzte und der trotzdem bisweilen seine Menschen so lebendig gemacht hatte, wie es fast niemand sonst konnte.
«Halten Sie sich an die Franzosen», sagte Ezra. «Da können Sie eine Menge lernen.»
«Das weiß ich», sagte ich. «Ich kann überall eine Menge lernen.»
Später, nachdem ich Ezras Studio verlassen hatte und die Straße hinunter zur Sägemühle kam und die hochwandige Straße bis zur Öffnung am Ende hinabblickte, wo sich die kahlen Bäume zeigten und hinter ihnen, jenseits der Breite des Boulevards Saint-Michel die ferne Fassade des Café au Bullier, m achte ich das Tor auf und ging hinein an dem frisch gesägten Holz vorbei und ließ meinen Tennisschläger in seinem Spanner neben der Treppe, die zum obersten Stockwerk des Seitenflügels führte. Ich rief die Treppe hinauf, aber es war niemand zu Hause.
«Madame ist ausgegangen und die bo nne und das Baby auch»,
erzählte mir die Frau des Sägemühlenbesitzers. Sie war eine schwierige Person, stark beleibt mit messingblondem Haar, ich dankte ihr.
«Es war auch ein junger Mann hier, der Sie besuchen wollte», sagte sie und benutzte den Ausdruck jeune komme an Stelle von monsieur. «Er sagte, er würde in der Closerie sein.»
«Schönsten Dank», sagte ich. «Wenn Madame zurückkommt, sagen Sie ihr doch, bitte, daß ich in der Closerie bin.»
«Sie ist mit Freunden ausgegangen», sagte die Frau, und ihren purpurroten Morgenrock um sich raffend, ging sie auf hohen Absätzen über die Schwelle ihrer eigenen domaine, ohne die Tür zu schließen.
Ich ging die Straße zwischen den hohen, fleckigen, verschmutzten weißen Häusern hinunter und bog am offenen, sonnigen Ende nach rechts ein und ging in die sonnengestreifte Dämmerung der Closerie.
Es war niemand da, den ich kannte, und ich ging hinaus auf die Terrasse und fand Evan Shipman, der auf mich wartete. Er war ein sehr guter Dichter, und er mochte und verstand sich auf Pferde, Bücher und Bilder. Er erhob sich, und ich sah ihn vor mir, groß und blaß und dünn, sein weißes Hemd angeschmutzt und am Kragen abgetragen, seinen sorgfältig gebundenen Schlips, seinen abgetragenen und zerknitterten grauen Anzug, seine Finger dunkler gefärbt als seine Haare, seine schmutzigen Nägel und sein liebevolles, abbittendes Lächeln, das er verkniffen einhielt, um nicht seine schlechten Zähne zu zeigen.
«Schön, dich zu sehen, Hern», sagte er.
«Wie geht's dir, Evan?» fragte ich.
«Nicht besonders», sagte er. «Ich glaube aber, ich hab die Mazeppa geschafft. Hast du Erfolg gehabt?»
«Will ich hoffen», sagte ich. «Als du bei uns vorbeikamst, war ich aus, mit Ezra Tennis spielen.»
«Geht es Ezra gut?»
«Sehr.»
«Das freut mich. Hem, weißt du, ich glaube, daß die Frau von dem Besitzer, wo ihr wohnt, mich nicht mag. Sie wollte mich nicht
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