Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
Dragonerschnauzbart. Er hat in einem Kavallerieregiment gedient.»

    «Er wird ihn abschneiden müssen.»

    Ich trank den Rest von meinem Whisky aus.

    «Noch einen Whisky, Monsieur?» fragte Jean. «Einen Whisky, Mr. Shipman?»

    Sein schwer herabhängender Schnurrbart war ein Teil seines hageren gütigen Gesichts, und sein kahler Kopf glänzte unter den Haarsträhnen, die geschickt darübergelegt waren.

    «Tun Sie's nicht, Jean», sagte ich. «Riskieren Sie nichts.»

    «Ich habe nichts zu riskieren», sagte er leise zu uns. «Es ist ein großes Durcheinander. Viele gehen weg. Entendu, Messieurs», sagte er laut. Er ging ins Café hinein und kam heraus und trug die Flasche Whisky, zwei große Gläser, zwei goldgeränderte Zehn-FrancsUntertassen und eine Flasche Selterwasser.

    «Nein, Jean», sagte ich.

    Er stellte die Gläser auf die Untertassen und füllte sie beinahe bis zum Rand mit Whisky und trug den Rest, der in der Flasche war, ins Café zurück. Evan und ich spritzten ein bißchen Selterswasser in die Gläser.

    «Nur gut, daß Dostojewski Jean nicht gekannt hat», sagte Evan. «Er hätte sich vielleicht zu Tode getrunken.»

    «Was wollen wir mit diesen machen?»

    «Sie trinken», sagte Evan. «Es ist ein Protest. Es ist eine Direktaktion.»

    Am folgenden Montag, als ich morgens in die Closerie zum Arbeiten kam, servierte mir André ein bovril; das ist eine Tasse Fleischextrakt mit Wasser. Er war stämmig und blond, und wo sein borstiger Schnurrbart gewesen war, war seine Oberlippe nackt wie die eines Priesters. Er trug die weiße Jacke eines Barmixers.

    «Und Jean?»

    «Er kommt erst morgen wieder.»

          «Wie geht es ihm?»

«Er braucht länger, um sich damit abzufinden. Den ganzen Krieg über war er in einem schweren Kavallerieregiment. Er hat das Croix de Guerre und die Médaille Militaire.»

          «Ich wußte nicht, daß er so schwer verwundet war.»

    «Nein. Natürlich war er verwundet, aber er hat die andere Sorte der Médaille Militaire, die für Tapferkeit.»

    «Sagen Sie ihm, daß ich nach ihm gefragt habe.»

    «Natürlich», sagte Andre. «Ich hoffe, es wird nicht zu lange dauern, bis er sich damit abgefunden hat.»

    «Bitte bestellen Sie ihm auch Grüße von Mr. Shipman.»

    «Mr. Shipman ist bei ihm», sagte Andre. «Sie gärtnern zusammen.»

    Ein Werkzeug des Bösen

    Das letzte, was Ezra zu mir sagte, ehe er die Rue Notre-Dame-desChamps verließ, um nach Rapallo zu fahren, war: «Hem, ich hätte gern, daß Sie diesen Topf mit Opium aufheben und ihn Dunning geben, aber nur, wenn er es braucht.»

    Es war ein großer Coldcreamtopf, und als ich den Deckel abschraubte, sah ich, daß der Inhalt dunkel und klebrig war, und es roch nach sehr rohem Opium. Ezra sagte, er habe es von einem indischen Häuptling auf der Avenue de l'Opéra dicht am Boulevard des Italiens gekauft, und es sei sehr teuer gewesen. Ich dachte, es müsse aus der alten Hole in the Wall -Bar kommen, die während und nach dem Ersten Weltkrieg ein Treffpunkt für Deserteure und Rauschgifthändler war. Das Hole in the Wall in der Rue des Italiens war eine sehr schmale Bar mit einer rotgestrichenen Fassade, kaum mehr als ein Durchgang. Einst hatte sie einen Hinterausgang in die Abzugskanäle von Paris gehabt, aus denen man angeblich in die Katakomben gelangen konnte. Dunning war Ralph Cheever Dunning, ein Dichter, der Opium rauchte und zu essen vergaß. Wenn er zuviel rauchte, konnte er nur Milch trinken, und er schrieb in Terzinen, was ihn bei Ezra beliebt machte, der auch in seinen Gedichten vorzügliche Qualitäten entdeckte. Er wohnte in demselben Hof, wo Ezra sein Studio hatte, und Ezra hatte mich holen lassen, um ihm zu helfen, als Dunning ein paar Wochen, bevor Ezra Paris verlassen wollte, im Sterben lag.

    «Dunning stirbt», lautete Ezras Botschaft. «Bitte kommen Sie sofort.»

    Dunning sah wie ein Skelett aus, wie er da auf seiner Matratze lag, und er wäre bestimmt gelegentlich an Unterernährung gestorben, aber schließlich überzeugte ich Ezra davon, daß ganz wenige Menschen je sterben, während sie in wohlgesetzten Redewendungen sprechen, und daß ich nie von einem Sterbenden gehört hätte, der in Terzinen redete, und daß ich sogar bezweifelte, ob Dante das gekonnt hätte. Ezra sagte, er rede gar nicht in Terzinen, und ich sagte, vielleicht höre es sich nur für mich so an wie Terzinen, weil ich geschlafen hätte, als er nach mir schickte.

    Schließlich wurde die Angelegenheit nach

Weitere Kostenlose Bücher