Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
«Der völlig ehrgeizlose Schriftsteller und das wirklich gute unveröffentlichte Gedicht sind die Dinge, die uns heute am meisten fehlen. Aber natürlich, leben muß man auch.»

    Scott Fitzgerald

    Sein Talent war so natürlich wie das Mu
ster, das der Staub auf den Flügeln eines
Schmetterlings bildet. Einst verstand er es
ebensowenig, wie der Schmetterling es
verstand, und er wußte nicht, wann es an
gestoßen oder beschädigt war. Später
wurde er sich seiner verletzten Flügel und
ihrer Konstruktion bewußt, und er lernte
denken und konnte nicht mehr fliegen,
weil die Liebe zum Fliegen fort war, und
er konnte sich nur daran erinnern, wie es
mühelos gewesen war.

    Das erste Mal, als ich Scott Fitzgerald traf, passierte etwas sehr Seltsames. Mit Scott passierten einem eine Menge seltsame Dinge, aber dieses konnte ich niemals vergessen. Er hatte die Dingo Bar in der Rue Delambre betreten, wo ich mit ein paar nichtsnutzigen Typen saß, hatte sich vorgestellt und hatte einen großen, angenehmen Menschen, der mit ihm war, als Dune Chaplin, den berühmten Pitcher, vorgestellt. Ich hatte die Baseballspiele in Princeton nicht verfolgt und hatte niemals von Dune Chaplin gehört, aber er war außergewöhnlich nett, unbekümmert, entspannt und freundlich, und

    ich zog ihn Scott bei weitem vor.

    Scott war damals ein Mann, der wie ein Junge wirkte, mit einem Gesicht zwischen hübsch und gut aussehend. Er hatte sehr blondes, welliges Haar, eine hohe Stirn, lebhaft und freundlich blickende Augen und einen sensitiven irischen Mund mit feingeschwungenen Lippen, der bei einem Mädchen der Mund einer Schönheit gewesen wäre. Sein Kinn war wohlgestaltet, und er hatte gut geformte Ohren und eine gutaussehende, beinahe schöne, makellose Nase. Das hätte noch kein hübsches Gesicht ergeben, das machten erst seine Farben, das sehr blonde Haar und der Mund. Der Mund beunruhigte einen, ehe man ihn kannte, und dann beunruhigte er einen noch mehr.

    Ich war sehr neugierig darauf, ihn kennenzulernen, und ich hatte sehr schwer den ganzen Tag gearbeitet, und es schien ganz wunderbar, daß Scott Fitzgerald hier war und der große Dune Chaplin, von dem ich noch nie etwas gehört hatte und der jetzt mein Freund war. Scott hörte nicht auf zu reden, und da mich alles, was er sagte, verlegen machte - es war alles über meine Schriftstellerei und wie großartig sie sei -, betrachtete ich ihn weiter aufmerksam und beobachtete, statt zuzuhören. Wir lebten damals noch in der Vorstellung, daß Lob, ins Gesicht gesagt, einer öffentlichen Kränkung gleichkam. Scott hatte Champagner bestellt, und er und Dune und ich tranken ihn, glaube ich, gemeinsam mit einigen von den nichtsnutzigen Typen. Ich glaube nicht, daß Dune oder ich der Rede - denn es war eine Rede - sehr genau folgten, und ich fuhr fort, Scott zu beobachten. Er war zierlich gebaut und schien nicht in besonders guter Form zu sein, denn sein Gesicht war leicht aufgedunsen. Sein Anzug von Brooks Brothers saß gut, und er trug ein weißes Hemd mit angeknöpften Kragenecken und einem Gardekürassierschlips. Ich dachte, vielleicht sollte ich ihn über den Schlips aufklären, weil es ja doch in Paris auch Engländer gab und einer ins Dingo kommen konnte - zur Zeit waren zwei da -, aber dann dachte ich, Teufel noch mal, und ich betrachtete ihn weiter. Später stellte es sich heraus, daß er den Schlips in Rom gekauft hatte.

    Durchs Anschauen erfuhr ich jetzt nicht sehr viel über ihn, außer daß er gut geformte, fähig aussehende, nicht zu kleine Hände hatte, und als er sich auf einen der Barhocker setzte, sah ich, daß er sehr kurze Beine hatte. Mit normalen Beinen wäre er etwa fünf Zentimeter größer gewesen. Wir hatten die erste Flasche Champag

    ner ausgetrunken und fingen mit der zweiten an, und sein Redefluß ließ nach.

    Wir beide, Dune und ich, fingen an, uns noch wohler zu fühlen, als wir uns vor dem Champagner gefühlt hatten, und es war angenehm, daß die Rede ihrem Ende zuging. Bis dahin hatte ich gedacht, daß es ein sorgfältig gehütetes Geheimnis zwischen mir und meiner Frau war und ein paar Menschen, die wir gut genug kannten, um uns mit ihnen zu unterhalten, was ich für ein großer Schriftsteller sei. Ich freute mich, daß Scott, was diese meine mögliche Größe betraf, zu dem gleichen glücklichen Ergebnis gekommen war, aber ich war auch froh darüber, daß ihm allmählich die Worte ausgingen. Aber nach der Rede ging die Fragerei los. Man konnte ihn beobachten und

Weitere Kostenlose Bücher