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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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liebenswürdigsten Manieren, aber ungemein stolz und voll heimlicher Verachtung für Sixtus V., der als Knabe Schweine gehütet hatte. Im übrigen ging ihm sein eigenes Fortkommen über den Triumph der spanischen Partei.
    Gegenüber dem arroganten Spanier und dem scheinheiligen Italiener saß, in offenkundigem Kontrast zu diesen zwei Raubzüglern, der Herzog von Nemours mit seinem lichten Antlitz, goldblond die Haare, die Augen himmelblau, und mit jener Miene (echter) Tapferkeit und (falscher) Offenheit, die ihn beim Volk beliebt machte wie ehemals Franz von Guise, obwohl er nicht dessen Sohn war, sondern der von Nemours, und dem Lothringer Clan nur durch seine Mutter angehörte, doch ganz wie ein Guise (der er nicht war) von Ehrgeiz verzehrt und, ohne daß er es schon zu bekennen wagte, auf Frankreichs Krone erpicht, schließlich war er ein Urenkel Ludwigs XII.
    Gleichfalls erpicht, doch nicht auf die Krone wie Nemours und Mendoza oder auf die Mitra wie Cajetan, sondern auf den Kardinalshut war der Erzbischof Pierre d’Epinac, der neben dem blonden Nemours in der Karosse saß, ebenso schwarz wie jener blond war – schwarz von Augen, Haaren, Haut und Seele, pflegte er doch blutschänderischen Umgang mit seiner Schwester, wofür Heinrich III. ihn nahezu öffentlich angeprangert hatte. Doch als wüßten Hirn und Herz nichts voneinander, wohnte dieser schwarzen Hülle ein hohes Maß an Geist, Erfahrung, Eloquenz und Urteilsvermögen inne: Tugenden, die ihn der Liga zu einem überaus scharfsinnigen Ratgeber machten.
    Um aber auf Zeus zurückzukommen, Mendoza, meine ich, |222| so ließ er die Karosse, wie gesagt, unter der schönen großen Uhr halten, welche das Palais zierte, und seinen Olympierblick über die Menge schweifen. Und mit der dünkelvollen Miene, die er, selbst wenn er gewollt hätte, nicht ablegen konnte, fragte er den Offizier auf spanisch, was die Tagediebe wollten. Und nachdem er sich auf spanisch hatte erklären lassen, sie wollten
pan
– dabei sprach er sehr gut Französisch und hörte das Wort
pain
aus tausend Mündern um sich –, sagte er zu einem Lakaien in spanischer Livree:
»Bernardino, échales las moneditas!«
1
    Worauf besagter Bernardino seine große Hand in einen großen Leinwandbeutel tauchte und rechts und links Händevoll Halb-Sou-Münzen in die Menge warf, was dem Herzog von Nemours sichtlich mißfiel, wie ich sah, maßte sich Mendoza doch das Privileg des französischen Königs an, in seinem Reich Münzen mit dem Bild des spanischen Königs zu schlagen.
    Wie mir Pierre de L’Etoile sagte, war dies nicht das erste Mal, daß Mendoza eine solche Geldverteilung befahl, und stets mit Erfolg, immer war das Volk in die Knie gegangen, den Hintern in die Höhe gereckt, und hatte die Bettelmünzen begierig aufgesammelt. Diesmal jedoch schlug der knickrige Großmut des Spaniers fehl.
    Anstatt vor dem Kastilier auf allen vieren zu kriechen und sich um die
moneditas
mit dem Bild Philipps II. zu zanken, wurden diese – wie unerhört! – von der Menge verschmäht, niemand bückte sich, sie aufzulesen, und alles schrie, die Münzen nützten nichts, für einen halben Sou gäbe es nichts mehr zu kaufen, auch nicht für einen Sou und nicht einmal für einen Ecu, und wenn man ihnen helfen und sie vorm blanken Hunger bewahren wolle, solle man ihnen nicht Geld spenden, sondern Brot. Und geistesgegenwärtig schnappten die Pariser das spanische Wort auf und schrien:
»Pan, Señor, pan!«
    Verstohlen lächelte der elegante Cajetan, während Mendoza schwer gekränkt war durch die Geringschätzung seiner
moneditas
, die zu Hunderten auf dem Pflaster lagen und die das Bettelpack samt dem Bild des spanischen Königs mit Füßen trat. Und weil er in seinem Zorn nicht wußte, was er dazu sagen sollte, schleuderte er von seiner Höhe herab Blicke wie tödliche Kugeln auf dieses undankbare Volk.
    |223| Sehr beunruhigt schien indessen der Erzbischof von Lyon, der in dieser Weigerung des guten Volkes, geschenktes Geld aufzulesen – er hatte so ewas noch nie erlebt –, offenbar Gefahr für die Fortführung des Krieges witterte, und zu Mendoza und Nemours geneigt, sprach er leise auf sie ein. Dann erhob er sich von seinem Polstersitz und gebot mit erhobener Hand Schweigen.
    »Gute Leute«, rief er mit starker Stimme, »wir verstehen Eure Not und werden sogleich beraten, wie wir ihr abhelfen können. Geht heim in Frieden, ein jeder an seine Statt, und bleibt fest im Vertrauen auf die Fürsorge unserer Heiligen

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