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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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an! Das ist mir neu!«
    »Es ist doch so, Moussu, daß nicht nur der Bauch darbt. Ist der eine Hunger gestillt, bleibt der andere.«
    »Als ob ich das nicht wüßte!«
    »Aber, Moussu, Ihr seid bei dem Handel nicht außen vor.«
    »Besten Dank, Miroul. Aber außer daß ich nicht gern teile, will ich, wenn die Kleine zu schnell dick wird, nicht als der Vater gelten.«
    »Moussu, Ihr seid Doktor der Medizin und kennt die Kräuter und wohin man sie steckt.«
    »Fabelhaft, wie du an alles gedacht hast!«
    »Ha, Moussu! Es wäre fabelhaft, in diesem Haus ein Mädchen lachen zu hören.«
    »Arme Florine!«
    »Moussu«, sagte er mit schalkhaftem Lächeln, »ich trag das Tuch, das ich tragen kann, auch wenn es nicht aus Châteaudun ist …«
    |228| Und als er den Stein so geschickt zurückwarf in mein Gärtchen, mußte ich laut lachen. Oh, ich liebte diesen Schalk!
    »Moussu«, fragte er, durch mein Lachen ermutigt, »habt Ihr denn nicht Mitleid mit der Ärmsten?«
    »Warum sollte ich, um unseren Pissebœuf zu zitieren, mit dieser
drola
mehr Mitleid haben als mit den Tausenden, die jetzt in Paris verhungern?«
    »Weil wir sie hier haben, bei der Hand.«
    »Bei der Hand ist gut gesagt. Würdet ihr für sie eintreten, wenn sie nicht bereit wäre, sich euren Gelüsten zu fügen?«
    »Kaum.«
    Hierauf blieb ich stumm, und beschämt ließ er ein Weilchen verstreichen, bis er mein Schweigen brach.
    »Moussu, mit Verlaub«, fragte er in demutvollstem Ton, »wie werdet Ihr entscheiden?«
    »Das sag ich dir morgen.«
    Ehrlich gestanden, war die Sache für mich schon abgemacht, ich wollte es nur auskosten, Miroul ein bißchen zappeln zu lassen. Entweder, so sagte ich mir, meiner Unterhaltung mit Franz eingedenk, beschafft mir die Montpensier in acht, höchstens zehn Tagen einen Paß von Nemours, und ich kann sie und uns rundum versorgen, oder ich bin erstochen, und meine Leute sind gestiefelt und gespornt an den Galgen gewandert. Im besten Fall wird Héloïse unsere Portionen kaum schmälern. Und im schlimmsten hätten meine Leute wenigstens die Annehmlichkeit gehabt, sich ihrer acht Tage zu erfreuen, wenn ich sie schon mitreißen mußte in meinen Tod, ein so guter Herr ich auch war.
    Trotzdem, zufrieden war ich mit mir nicht, daß ich mir von den Burschen die
drola
hatte aufhängen lassen, die ich ja gewiß nicht abgewiesen hätte, wenn mein Gespräch mit ihr nach und nicht vor dem Gespräch mit Franz erfolgt wäre, aus dem ich Hoffnungen auf baldige Veränderung schöpfte.
    Am nächsten Tag eilte ich zu meinem lieben L’Etoile, neugierig, was aus dem Aufruhr vor dem Grand Palais geworden war. Doch wiederum traf ich nur besagte Kammerfrau an, die mich wiederum am liebsten dabehalten und in deren lockenden Netzen ich mich auch gerne verstrickt hätte, wäre mir in Anbetracht der Anhänglichkeit dieser Kleinen nicht der Verdacht gekommen, daß L’Etoile seine Frau (die schwanger war), seine Schwester und seinen Sohn Mathieu vielleicht auch deshalb |229| fortgeschickt hatte, um sich bequemer an sie heranzumachen. Im übrigen sah ich, daß meine Uhr auf Mittag ging, und so entwand ich mich der umschlingenden Rebe, um geschwind zum Palais zu eilen, wo Franz mich schon unter der großen Uhr erwartete. Ich übergab ihm als erstes ein in Leinen eingeschlagenes Stück Räucherspeck.
    »Ha! Monsieur, meinen allerbesten Dank, auch von meinem Liebchen«, sagte er verwirrt, indem er das Päckchen in seine Hosentasche steckte, »zumal«, setzte er in seiner gewissenhaften Art hinzu, »zumal ich Euch wenig vermelden kann, nur eine Unterhaltung, die mein Liebchen im Kabinett ihrer Herrin zwischen dieser und der Königinmutter gehört hat, Ihr wißt, wen ich meine. Die hohen Damen sprachen über einen Vorschlag, den Herr von Mendoza am Vortag einer Versammlung bei Herrn Hofrat Courtin unterbreitet hat. Nämlich, um der wachsenden Hungersnot zu wehren, solle man den Ärmsten raten, auf dem Innozentenfriedhof die Toten auszugraben, ihre Knochen zu Mehl zu mahlen und Brot daraus zu backen.«
    »Franz, das hat dein Liebchen wirklich gehört?«
    »Jaja«, sagte Franz eifrig, »sie lügt nicht.«
    »Aber, Franz, das ist eine bodenlose Schande!«
    »Monsieur, dasselbe entgegnete auch die Königinmutter und verkündete, lieber würde sie verhungern, als derlei anzurühren. ›Ich auch‹, sagte darauf meine Herrin, setzte jedoch hinzu, daß sie trotzdem den Predigern Order geben werde, ihren Schäflein dieses Totenbrot zu empfehlen: Auf die Weise bekomme

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