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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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den Raum und fühlte Héloïses Blick so angstvoll und flehend auf mich gerichtet, daß ich kaum wagte, sie meinerseits anzublicken.
    »Mädchen«, sagte ich, indem ich schließlich vor ihr stehenblieb, »noch einmal: Es geht nicht.«
    Hierauf wankte sie auf ihren Füßen, als hätte ich sie geohrfeigt, umklammerte mit ihrer durchsichtigen Hand meinen Arm und senkte den Kopf, indem sie hochrot wurde.
    »Herr«, sagte sie leise, »nehmt mich zur Kammerfrau, und Ihr könnt mit mir machen, was Ihr wollt.«
    »Pfui, Kind«, sagte ich milde, »du wirst dich doch nicht für Brot verkaufen.«
    »Herr, Ihr habt gut reden«, sagte sie, indem sie mir einen scharfen Blick zuwarf. »Wenn ich kein Brot habe, bin ich meinen Körper sowieso bald los, und was habe ich dann davon? Und wenn ich Euch jetzt zu mager bin, gebt mir vierzehn Tage zu essen, und ich bin wieder rundum rund. Und arbeiten werde ich – Ihr sollt es nicht bereuen, mich genommen zu haben.«
    |215| Ich wußte nicht, was ich darauf erwidern sollte, hin und her gerissen zwischen Mitleid, Versuchung, Scham und hugenottischen Bedenken.
    »Höre, Héloïse«, sagte ich endlich, indem ich vor ihr stehenblieb, und ich fühlte mich schrecklich unwohl dabei, »mein Entschluß ist gefaßt. Du bist ein gutes Mädchen und gefällst mir sehr, aber ich kann dich nicht einstellen. Was sollen meine Leute sagen, wenn ich einen zusätzlichen Esser ins Haus hole, der ihren Anteil schmälert?«
    Die arme Héloïse hörte diesen Spruch, als hätte ein Richter im Talar sie zum Galgen verurteilt, und wahrhaftig, wenn man die Dinge recht betrachtete, erwartete sie hiernach Schlimmeres als der Strick. Und auf einmal setzte sie sich unaufgefordert und wortlos, mit trockenen Augen und starrem Gesicht auf einen Schemel und verharrte wie in ihr Schicksal ergeben, die Hände ineinander gelegt, ein Anblick, der mir mehr ins Herz schnitt, als wenn sie in Tränen ausgebrochen wäre.
    »Herr«, sagte sie endlich mit dumpfer Stimme, »wenn Ihr mich schon nicht retten könnt, rettet wenigstens Alizon, sie ist kaum besser dran als ich und fast am Ende ihrer Kräfte.«
    »Héloïse!« rief ich, »warum hast du das nicht gleich gesagt?«
    »Ich habe es gesagt!« entgegnete sie. »Gleich als erstes! Ich habe gesagt, daß sie kaum noch etwas in den Mund zu stecken hat.«
    »Héloïse«, sagte ich, indem ich sie in die Küche führte, wo meine Leute unruhig den Ausgang dieses Gesprächs erwarteten. »Héloïse, bleib ein Weilchen hier. Und du, Miroul, gib ihr zu essen, bitte, und einen Becher Wein. Ich laufe nur rasch zu Alizon.«
    »Was, allein?« fragte Miroul unwirsch.
    »Ja, allein.«
    Ich lief tatsächlich, nicht ohne bei einer schrecklichen Megäre in der Rue de la Cochonnerie haltzumachen – also unweit der Rue de la Ferronnerie, wo Alizon wohnte – und der Alten, die dort heimlich ein paar Hühner in ihrer wie eine Festung verrammelten Dachstube hielt, zwei Quarterons Eier, fünfzig Stück, abzukaufen, für welche die Alte vier Ecus verlangte. Sie haben recht verstanden, Leser, vier Ecus! Dann lief ich weiter und wartete klopfenden Herzens vor Alizons Tür. Sie schleppte sich |216| herbei, mir zu öffnen, so schwach war sie geworden, und kaum daß ich die Eier auf einer Truhe abgestellt hatte, nahm ich sie in die Arme. Von meinen Tränen, meinen Bitten um Vergebung, meinen Küssen und Versprechen, sie öfter zu besuchen, muß ich hier nicht reden, das kann sich jeder vorstellen. Nicht aber, was ich sogleich erzählen werde und was dermaßen über alle Vorstellung geht, daß ich noch heute zögere, meiner Erinnerung zu trauen, und was ich dennoch auf meinem Rückweg mit eigenen Augen sah.

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    |217| SIEBENTES KAPITEL
    Ich sah, wie Alizon auflebte, als sie zwei Eier ausgeschlürft hatte – vor Hunger nahm sie sich nicht einmal die Zeit, sie zu kochen –, dann schied ich, indem ich ihr versicherte, daß es ihr künftig an meiner Hilfe nicht fehlen werde. Von der Rue de la Ferronnerie lief ich zur Rue Trouvevache, um noch bei meinem lieben Pierre de L’Etoile vorbeizuschauen, den ich eine Woche nicht gesehen hatte.
    Wie ich mich dem Haus meines Freundes auf einige Klafter näherte – die für gewöhnlich so belebte Straße lag verlassen, nur ein paar arme Wichte schlichen wankend und gespenstisch bleich an den Mauern entlang –, stolperte ich fast über einen rotbraunen Hund, der mir in Ängsten vor den Füßen her lief, so schnell ihn die schwachen Pfoten trugen. Das arme Tier war

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