Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
das Volk den Bauch voll, bleibe friedlich und schreie nicht mehr nach Frieden. ›Aber daran sterben sie‹, sagte die Königinmutter. ›Dann sind sie ganz still‹, meinte darauf meine Herrin.«
    »Und was sagte die Königinmutter?«
    »Nichts mehr. Sie verzog nur das Gesicht und ging.«
    »Franz«, sagte ich beschwörend, »wenn solches Brot jemals ins Haus deiner Herrin kommt, rühre es ja nicht an, und sei es nur mit der Zungenspitze, und dein Mädchen auch nicht.«
    »Dann ist es wahr, Monsieur, daß man daran stirbt?«
    »Unfehlbar. Und sage das auch jedem in deiner Umgebung, aber ohne mich zu nennen.«
     
    Ich konnte nicht glauben, was Franzens Liebchen gehört haben wollte, so abscheulich dünkte es mich, doch wurde es mir am |230| nächsten Tag von L’Etoile bestätigt; er hatte es von demselben Courtin, bei dem Mendoza das Rezept für das Totenbrot vorgestellt hatte. Viele Untertanen Philipps II., so meinte L’Etoile, ernährten sich nämlich auf diese Weise, wenn in Spanien wieder eine der Hungersnöte herrsche, von denen das Land trotz allen amerikanischen Goldes oft heimgesucht werde: ein Beweis, daß dieses Gold nicht als barmherziger Regen auf das Volk niederging.
    »Das Gute an der Sache ist«, sagte L’Etoile, »daß man an besagtem Brot schneller stirbt als am Hunger. Trotzdem, der Erzbischof von Lyon, der sich wahrscheinlich überlegte, daß man Paris nicht mehr verteidigen könnte und folglich auch die Liga nicht, wenn es keine Pariser mehr gäbe, kam auf ein anderes Mittel und berief eine Versammlung der Pfarrer, Gemeindevorsteher und Superiore der Klöster ein.«
    »Ich vermute, Ihr wart dort.«
    »Heimlich«, sagte L’Etoile blitzenden Auges, »berechtigt war ich dazu nicht.«
    »Und fandet Ihr die Pfarrer feist?«
    »Nicht so feist wie die Mönche, manche waren sogar ziemlich mager, aber längst nicht so mager wie die Gemeindevorsteher. So wunderte es mich nicht, daß ein Gemeindevorsteher im Namen aller vorschlug, diejenigen Klosteroberen, die Lebensmittel übers Notwendige hinaus hätten, sollten sie an jene verkaufen, die nur noch Geld und sonst nichts mehr haben, und außerdem die Armen vierzehn Tage
gratis pro Deo
ernähren.«
    »Dieses
gratis
wird ihnen schwerlich gefallen haben!«
    »Ach, mein lieber Pierre! Wäre der Gemeindevorsteher in ein Vipernnest getreten, es hätte keine größere Wirkung haben können. Aber Nemours, welcher der Versammlung der heiligen Männer vorstand, fand den Vorschlag lobenswert und befahl, alle geistlichen Häuser nach Lebensmitteln zu durchsuchen.«
    »Ha, der Leichtfuß!« sagte ich. »Künftig wird man in den Klöstern nicht mehr für ihn beten! Gleichwohl wette ich, daß es zwischen Nemours’ Befehl und dessen Ausführung allerhand Rührigkeiten gab.«
    »Ungeheuerliche, aber klammheimlich. Nur so klammheimlich doch nicht, daß nichts davon durchgesickert wäre. So erfuhr man, daß Tyrius, der Rektor der Jesuiten, den Legat Cajetan aufgesucht und angefleht hat, sein Ordenshaus von der Durchsuchung |231| auszunehmen. Worauf der Vogt der Kaufmannschaft, der zugegen war, mit Donnerstimme versetzte: ›Herr Rektor, Eure Bitte ist weder zivil noch christlich! Hätten all jene, die derzeit noch über Getreide verfügen, es nicht längst zum Verkauf anbieten müssen, um der Bedürftigkeit des Volkes abzuhelfen? Warum solltet Ihr von der Durchsuchung verschont werden? In wessen Namen? Ist Euer Leben wertvoller als unseres?‹«
    »War es La Chapelle-Marteau, der das gesagt hat?«
    »Derselbe. Kennt Ihr ihn?«
    »So ein langer Geizkragen, quittegelb im Gesicht, krumme Nase, scheeler Blick?«
    »Wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    »Der Mann«, sagte ich, »hat uns, Alizon und mich, am Tag der Barrikaden zugunsten der Liga um drei Ecus erleichtert, damit wir selbige passieren und nach Haus gelangen konnten.«
    »Da hat er Euch ja schön ausgequetscht für seine Kapelle!« sagte L’Etoile lachend. »Lisette«, gebot er seiner Kammerfrau, die ein Tablett mit einer Weinflasche und zwei Bechern hereinbrachte, »stell es auf die Truhe, neben den Kamin.«
    »Soll ich einschenken, Monsieur?« fragte Lisette.
    »Nur zu!«
    Und weil ich fürchtete, meine Blicke könnten verraten, welchen Appetit ich auf die Kleine hatte, stand ich auf und wandte mich zum Fenster, doch so, daß ich die Szene durch einen Spiegel im Auge hatte. Und so sah ich, wie L’Etoile dem niedlichen Frauenzimmer, als es sich bückte, den Wein einzuschenken, verstohlen den Hintern tätschelte.

Weitere Kostenlose Bücher