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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Was zum einen bewies, daß L’Etoile nicht ganz der säuerliche Moralist war, der zu sein er vorgab, und zum anderen, daß er in gewisser Weise noch sehr kregel war, trotz seines Alters.
    »Nun«, sagte ich, als Lisette gegangen war und L’Etoile mir den Becher in die Hand drückte, »und was ist bei den Durchsuchungen der geistlichen Häuser herausgekommen?«
    »Erbauliches. In allen fanden sich Lebensmittel über den Bedarf eines halben Jahres hinaus. Besonders bei den Jesuiten stellte man so große Vorräte an Weizen, Salzfleisch, Hartgebäck, Dörrobst und –gemüse fest, daß sie alle über ein Jahr zu essen haben, ohne die Portionen beschneiden zu müssen.«
    »Und natürlich befahl Nemours, einen Teil dieser Lebensmittel zu beschlagnahmen und an die Armen zu verteilen.«
    |232| »Nemours in seiner Herzenseinfalt hätte es getan. Aber die Königinmutter riet ihm ab, damit er, der insgeheim nach dem Thron strebt, es sich nicht mit der Partei der Frömmler verderbe.«
    »Wie kommt es«, fragte ich, »daß Frau von Nemours den Ehrgeiz ihres Jüngsten unterstützt, nicht aber den ihres Ältesten, Mayenne, der ja nicht nur ein guter Heerführer ist, sondern auch ein Guise?«
    »Weil sie selbst nur durch Vermählung eine Guise ist. Im übrigen ist Mayenne ein Fettsack; er frißt für vier, trinkt wie ein Loch, kommt nicht aus dem Bett und hat die Gicht. Wie charmant ist dagegen Nemours mit seinen blauen Augen und der Morgenröte auf seinen Wangen!«
    »Mein lieber L’Etoile«, sagte ich lachend, »ich danke Euch, daß Ihr mir die Mysterien der Heiligen Liga erklärt!«
    »Da gibt es kein Mysterium«, sagte L’Etoile. »Volk und Klerus glauben, sie verteidigten die katholische Religion. Kommt man aber zu den Prinzen, ist die Religion nur Vorwand. Es geht um die Kopfbedeckung.«
    »Die Kopfbedeckung?«
    »Krone, Mitra. Die Krone für Mayenne, für Nemours oder Philipp II. Die Mitra für Cajetan. Den Kardinalshut für Pierre d’Epinac. Ihr wißt doch«, setzte er lächelnd hinzu, »die menschliche Eitelkeit thront auf dem Haupt.«
    »O nein, mein lieber L’Etoile!« sagte ich, »man trägt sie ebensogern auf der Brust, sei es den Sankt-Michaels-Orden, sei es den Heilig-Geist-Orden. Die Engländer zeigen sie gar als Strumpfband. Und jedermann mit dem Werkzeug, das er in der Rechten schwingt: der König sein Zepter, der Marschall seinen Stab, der Bischof seinen Krummstab.«
    »Und worin liegt unsere Eitelkeit?« fragte L’Etoile, dessen Augen mir seit der Abreise seiner Familie ganz verjüngt aus den Falten blitzten.
    »Meine liegt darin«, sagte ich prompt, »mich herabzulassen und den Handelsmann zu spielen, um meinem König desto besser zu dienen. Und so rühme ich mich im stillen meiner Demut.«
    »Meine ist«, sagte L’Etoile, »Auge und Ohr dieser großen Stadt zu sein und allzeit der bestinformierte Mann.«
    »Trinken wir auf unsere Eitelkeiten«, sagte ich, indem ich meinen Becher hob und mit ihm anstieß.
    |233| »Mögen sie dauern wie wir«, sagte er, »denn sie machen uns glücklich!«
    Das war eine ganz neue Sprache bei meinem guten L’Etoile, so dachte ich, und nicht mehr so ganz die eines Moralisten.
    »Also«, fuhr ich fort, »ließ Nemours die geistlichen Vorräte unangetastet, um sich die Finger nicht zu verbrennen. Und was machte er mit der heißen Kastanie?«
    »Er warf sie den ›Sechzehn‹ zu, und die entschieden, die Klöster hätten die Armen ihres Viertels einmal pro Tag zu verköstigen.«
    »Das ist ehrenwert.«
    »Nur etwas zu sehr, um wahr zu sein«, sagte L’Etoile, der als Amtmann den Soutanen nicht traute, und schon gar nicht, seit sie ligistisch und rebellisch gegen ihren König standen.
    Acht Tage nach diesem Gespräch wußte Miroul, der Verbindung zu einem Sergeanten von Nemours geknüpft hatte, zu melden, daß die Stadt Saint-Denis sich dem König ergeben hatte, was die Dinge Seiner Majestät für mein Gefühl bedeutend voranbrachte, weil Saint-Denis gleichsam die Zitadelle der Hauptstadt war. Dieser Sergeant war von den Königlichen gefangengenommen und vom König freigelassen worden, weil er in Paris Frau und Kinder hatte. Und während seiner Gefangenschaft hatte er gehört, daß Navarra sich in der Abteikirche von Saint-Denis die Särge unserer Könige hatte zeigen lassen, wobei er vor dem Sarkophag der Katharina von Medici stehenblieb und mit leisem Lächeln sagte: »Ho, da also liegt sie!« Eine Bemerkung, die mich sehr ergötzte und mir in Erinnerung rief, wie

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