Paris ist eine Messe wert
wohl bekomm’s, Graubart.«
Um meine Verkleidung nicht aufzudecken, durfte ich an dem Generalangriff auf die Vororte nicht teilnehmen, doch gehörte ich zu den wenigen, die der König in die Abtei von Montmartre mitnahm, von deren hoch über der Haupstadt gelegenen |267| Fenstern er die Fortschritte seiner Armee überwachte. Diese sollte, in zehn starke Truppen aufgeteilt, zur gleichen Zeit die Vororte Saint-Antoine, Saint-Martin, Montmartre, Saint-Honoré, Saint-Germain, Saint-Michel, Saint-Jacques und Saint-Victor angreifen.
Der Angriff begann am 27. Juli um Mitternacht. Es war stockdunkle Nacht, und zuerst dachten wir, als wir mit dem König an besagtem Fenster warteten – wir, das waren Monsieur Duplessis-Mornay, Monsieur de Rosny (den der König wegen seiner Verwundung sich setzen hieß) und Monsieur de Fresnes –, daß wir in dieser Finsternis überhaupt nichts sehen würden. Doch als der Geschützdonner rings um die Stadt von allen Seiten zugleich losbrach, war es ein unglaubliches Schauspiel, wie die Feuersalven über die Vororte flogen, und zwar so dicht und so zahlreich, daß man wünschte, ein Maler hielte es auf einer Leinwand fest. Aber, was er natürlich nicht hätte wiedergeben können, war das wirre Getöse, bald näher, bald ferner, von Schüssen und Geschrei. Und ich, der ich mir über alles meine Gedanken mache, sagte mir, daß, wenn man die Dinge aus so bequemer Ferne sah, der Krieg etwas sehr Schönes wäre – wenn er es nur auch für diejenigen sein könnte, die ihn von nahem erlebten. Und weil ich ihn in Ivry von nahem erlebt hatte und nun von weitem erlebte, bezweifelte ich nicht, daß es für gewisse Fürsten in ihren Schlössern, die nicht mit ihren Truppen kämpften wie der unsere – nur in dieser Nacht nicht, weil es bei diesem Angriff keine Kavallerie gab –, daß es jenen, sage ich, ein leichtes sein mußte, mit einem Federstrich Armeen in Bewegung zu setzen und ihren eigenen Untertanen ebenso viele unaussprechliche Leiden zuzufügen wie ihren Feinden. Und der Gedanke bedrückte mich, daß so viele Franzosen in dieser Nacht dafür sterben würden, daß man die Hauptstadt, die man dem seligen König genommen hatte, dem regierenden König nicht geben wollte, weil man sich von Pfaffen und Prinzen den Verstand hatte vernebeln lassen.
Das Feuer begann um Mitternacht und dauerte volle zwei Stunden, an deren Ende der Plan des Königs so trefflich aufging, daß sämtliche Vororte zur gleichen Zeit kapitulierten! Ein folgenschweres Ereignis, denn jetzt zogen die Königlichen den Belagerungsring so eng, daß sie fast vor den Mauern von Paris standen und alle Tore blockierten, ohne ihre Erlaubnis kam niemand |268| hinein noch heraus. So war das arme Paris denn noch mehr eingekesselt als am Tag vorher und die Not des armen Volkes drinnen noch größer. Was allen das Gefühl gab, daß die Fürsten nun nicht mehr anders könnten, als mit dem König Verhandlungen aufzunehmen.
Vom einfachen Arkebusier bis zum Hauptmann und von den Hauptleuten bis zum König wurde dieser Sieg in den Vororten mit Festen gefeiert, wo an Fleisch und Wein kein Mangel war. Glücklich nahm ich daran teil, denn ich glaubte, daß nach diesem Erfolg der Frieden in Reichweite läge, auch wenn mich der Gedanke betrübte, daß die Franzosen innerhalb der Mauern nichts von dem Brot hatten, das die Franzosen außerhalb so fröhlich verschwendeten. Zudem sorgte ich mich um Alizon, Franz und sein Mädchen, denn vor meiner Abreise hatte ich Pissebœuf zwar beauftragt, sie zu versorgen, aber wußte ich, ob er es nicht vergaß?
Bei diesen Festmählern hatte ich acht, mich nicht zum Adel um den König zu gesellen, sondern blieb unter Bürgern, Schöffen, Kaufleuten und Vögten, denen ich den Tuchhändler vorspielte, ohne, glaube ich, irgend Verdacht zu wecken, inzwischen beherrschte ich die Komödie. Außerdem redete ich nicht viel, unter dem Vorwand einer Halsentzündung, und saß mit Miroul am Ende der Tafel im dunkelsten Winkel.
All diese Vorsicht hinderte den Narren Chicot, der umherstrich, indes nicht, mich zu erkennen.
»Potztausend, Aderlaß«, flüsterte er mir ins Ohr, »deine Maske ist makellos. Aber außer daß ich dich in dem Aufzug schon am Tag der Barrikaden sah, erkannte ich dich auch an den Stielaugen, mit denen du die hübsche Brünette da verschlangst, als sie dir aus ihrem Weinkrug in deinen Becher einschenkte. Verflixt, kehr doch die Höflichkeit um und ergieß deinen Becher in ihren Krug! Was, du
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