Paris ist eine Messe wert
von der Seite an, oder blickte zu Boden, und derweile speicherte sein großer Schädel, denke ich, all die großen und kleinen Tatsachen, die ich für ihn zusammengetragen hatte.
»Arme Pariser!« sagte er, als ich endete, »sie tun mir leid in ihrer Not. Und noch mehr in ihrer Verbohrtheit und Verblendung! |263| Sehen sie nicht, daß dieser verdammte Mendoza ihnen das Totenbrot aufredet, damit sie desto schneller krepieren und er sich ihrer Stadt bemächtigen kann? Und Frankreichs, wenn er könnte! Sankt Grises Bauch! Nur er und sein Herr Philipp verhindern Frieden und Ruhe in unserem geplagten Reich! Graubart«, fuhr er in anderem Ton fort, denn Traurigkeit und Elegie waren nicht seine Sache, »was ist mit meinen Kusinen, den Lothringer Prinzessinnen (hier runzelte Rosny die Stirn)? Du mußt sie ja besucht haben, weil Nemours dir den Paß gab.«
Ich erzählte also, was mir im Hôtel Montpensier begegnet war, und nun ausführlicher als zuvor, weil ich wußte, daß die Geduld Seiner Majestät sich weniger schnell erschöpfte, wenn es um Damen ging. Und er schien meiner Geschichte tatsächlich mit um so mehr Vergnügen zu lauschen, als sie Rosny mißfiel, ohne sie jedoch zu kommentieren.
»Mein Freund«, sagte er nur zu Rosny, »Ihr zahlt dem Baron von Siorac fünfhundert Ecus aus meiner Schatulle, damit er für meine Kusinen Fleisch und anderen Proviant kaufen kann.«
»Gewiß, Sire«, sagte Rosny ziemlich unwillig, »aber es ist Torheit, diese Schlangen zu füttern.«
»Es sind keine Schlangen, es sind Frauen.«
»Das ist das gleiche«, sagte Rosny stur.
»Hoho!« sagte der König lachend, »das ist ja, als hörte ich Duplessis-Mornay! Schlangen sind kalt, Rosny. Frauen sind heiß, außen wie innen.«
»Deshalb arbeiten sie auch so heiß gegen Euch!«
»Frauen können nicht anders, als für den zu arbeiten, den sie lieben! Die eine für den Bruder, die andere für den Sohn. Wenn ich Paris genommen habe, werde ich mich mit den Prinzen versöhnen müssen. Besser, man fängt gleich damit an, Rosny! Und über die Frauen, die bei den Prinzen Gewicht haben. Außerdem«, fuhr er fort, »ist die Zunge der Montpensier allein soviel wie drei Regimenter. Und ich möchte nicht, daß sie ihre Pfaffen auf mich hetzt, wenn ich im Louvre bin.«
»Am besten, man schneidet die Zunge ab!« sagte Rosny.
»Aber Rosny!« sagte der König mit so lustigem Augenzwinkern, daß Rosny selber lächeln mußte. Der übrigens gar nicht so hart war, wie er sich gab, und auch kein solcher Frauenfeind, auch wenn Damen bei ihm weit hinter der Sorge um seinen Ruhm rangierten.
|264| Es klopfte, und ein Page meldete, daß Mylady Markby bitte, von Seiner Majestät empfangen zu werden.
»Was!« rief Rosny. »Kann der König nicht einen Augenblick mit seinen Dienern reden, ohne daß diese englische Klatschbase ihre Nase hineinsteckt? Es genügt doch wohl, wenn Lord Stafford mitteilt, was Elisabeth meint. Wozu braucht es neben den Hosen noch einen diplomatischen Unterrock?«
»Elisabeth mag sie. Und ich auch. Der Unterrock redet deutlicher als die Hosen«, sagte der König lachend und ließ Lady Markby hereinführen, die sich sogleich mit schönstem Kniefall für den unverzüglichen Empfang bedankte.
»Madame«, sagte der König, indem er sie aufhob und zum einzigen Sessel im Zimmer geleitete, »nehmt Platz, macht es Euch bequem und, bitte, atmet erst einmal durch, die Wendeltreppe hat es in sich. Meine vielgeliebte Kusine und Schwester Königin Elisabeth, der ich für Hilfe und Beistand unendlich dankbar bin, kann stets über mich verfügen, und Eure Schönheit gibt Euch zudem alle Rechte, so daß ich es nicht gelitten hätte, Euch auch nur eine Minute vor der Tür warten zu lassen.«
Beim Ochsenhorn! dachte ich, offenkundig spricht Henri mit zwei Zungen: Die für Männer ist scherzend, knapp und militärisch, die für Damen wortreich und schmeichlerisch. Doch als er sich von ihr abwandte, um seine Wanderung durch den Raum wieder aufzunehmen, warf er Rosny einen raschen, vielsagenden Blick zu, und ich begriff, daß er bei diesem unerwarteten und quasi erzwungenen Gespräch auf seiner Hut war.
Nach einigem Vorgeplänkel, bei welchem Mylady Markby, um die Aufmerksamkeit des Königs zu fesseln, ihren schönen weißen Busen durch mehrerlei Seufzer in Wallung setzte, ihre schwarzen Augen spielen ließ und den Kopf so neigte, daß die braunen Locken ihren milchweißen Hals umschmiegten, rückte sie mit ihrer Beschwerde heraus, daß Seine
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