Paris ist eine Messe wert
durfte mich glücklich schätzen, Lady Markby getroffen zu haben, die |261| ja nicht nur sozusagen mein englisches Pendant war (sie spielte für Elisabeth die gleiche Rolle wie ich für Navarra), sondern die mir am Tag der Barrikaden auch Beistand geleistet und mich versteckt hatte. Und am Ende hatte ich, wie meine schöne Leserin sich erinnern wird, unter ihrem weiten Reifrock verborgen, ein Gespräch mit angehört, um das der ligistische Graf von Brissac im aufständischen Paris den englischen Gesandten, Lord Stafford, im Namen des Herzogs von Guise ersucht hatte.
Indessen würden Sie mich verkennen, schöne Leserin, und mich nicht nach meinem wahren Verdienst lieben, wenn Sie mich rundum glücklich wähnten, nur weil ich ein gutes Dach, gute Tafel und eine warmherzige Wirtin gefunden hatte. Im Gegenteil. Mich plagten nämlich zwei Befürchtungen. Die erste war, daß Lady Markby, wenn sie den König in ihr Haus holte, versuchen könnte – wie ich es an ihrer Stelle auch getan hätte –, unserem Gespräch beizuwohnen. Schließlich würde der König schwerlich wollen, daß Elisabeth über die französischen Dinge genauso Bescheid wüßte wie er.
Meine zweite Befürchtung betraf nur mich, und vielleicht ahnt man sie schon: Da ich beschlossen hatte, Picard und Breton in meinen Dienst zu nehmen, mußte ich sie, anschließend an meine Unterredung hier, nach Chêne Rogneux bringen, wo mir wohl oder übel eine Begegnung bevorstand, die ich seit Larissas Tod sorglich gemieden hatte. Die Flucht war mir seinerzeit zwar nicht als beste, aber doch als die am wenigsten schlechte Antwort auf meine Zweifel erschienen, Fragen und endlosen Qualen, die wahre Identität der Toten betreffend.
Die erste Befürchtung erledigte sich am nächsten Morgen, denn in der Frühe schickte der König eine Sänfte, die mich bei Lady Markby abholte und in ein Haus an der Hauptstraße von Saint-Denis brachte, wo ich zu meiner großen Freude, hinkend und den rechten Arm in einer Schlinge, aber blühenden Angesichts Monsieur de Rosny fand, der mich mit dem gesunden Arm an sich drückte, was mich um so mehr rührte, als mein guter Hugenotte mit Küssen sparsam war.
»Monsieur de Rosny!« rief ich, indem ich voller Freundschaft seine schönen blauen Augen, seinen vollen Mund, seine breiten Wangenknochen und vor allem seine hohe Stirn betrachtete, auf welcher sich die blonden Haare lichteten, »wie freue ich mich, Euch hier bei gutem Befinden zu sehen! Und wieder als Vertrauten |262| und Ratgeber Seiner Majestät! Trotz Eures kleinen Zerwürfnisses wegen der Gouverneursstelle zu Mantes.«
»Ah, bah!« sagte Rosny mit großartiger Gebärde, »der König hatte schon recht, sie mir nicht zu geben, da sie einem papistischen Royalisten versprochen war. Außerdem, was sollte ich mit dem Bettel? Ich habe dem König nur aus Prinzip gegrollt. Die Sache selbst schert mich wenig. Und was Henri angeht«, fuhr er in seinem üblichen Dünkel fort, »so war ich nur zwei Monate von ihm fort, aber weil er nicht ohne mich auskam, schickte er einen Kurier, mich zurückzurufen.«
»Und Ihr seid geeilt!« sagte ich lachend.
Aber Rosny geruhte nicht, in mein Lachen einzustimmen.
»Mein lieber Siorac«, sagte er, »ich habe die Schwäche zu glauben, daß ich dem Staat nützlich bin.«
»Und wie Ihr es seid!« versetzte ich mit einer Verneigung, »mehr als jeder andere Edelmann dieses Reiches!«
Wogegen Rosny nicht im mindesten protestierte – so groß war seine eigene Vorstellung von seinen Verdiensten.
In dem Moment hörte man die Haustür gehen, dann eilige Schritte auf der Wendeltreppe, und als sich die Zimmertür öffnete, trat der König herein, ohne jedes Gefolge, und wie gewöhnlich in Eile, fröhlich, ungeduldig gegen Vorreden und Zeremonien.
»Graubart!« sagte er, kaum daß ich niederknien und seine Hand berühren konnte (die wiederum nach Knoblauch roch), »Sankt Grises Bauch, bin ich froh, dich heil und gesund zu sehen! Setz dich, und du, Rosny, bleib nicht stehen mit deinem Humpelbein, sonst heilt es nie. Graubart, ich höre!«
Und während ich in bündigen Worten schilderte – der Diener hat sich auch hierin nach dem Herrn zu richten –, was ich in den vergangenen Wochen in Paris beobachtet hatte, stapfte er wie üblich auf seinen kurzen, muskulösen Beinen durch den Raum, die Hände auf dem Rücken verschränkt, oder er zupfte bald mit der einen, bald mit der anderen Hand an seiner langen Nase, schaute nachdenklich oder scharf, oder blinzte mich
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