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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Blut. Vorrat für morgen.«
    Und, in der Tat, mit halb verrutschtem Knebel im Mund, die Hände auf dem Rücken gefesselt, die Beine verschnürt, kam ein weibliches Wesen zum Vorschein, dem Poussevent mit der Laterne ins Gesicht leuchtete, und nun erstarrte ich.
    »Lisette!« rief ich fassungslos.
    »Ach, Ihr seid es, Monsieur!« sagte sie – und fiel in Ohnmacht.
    Nun war es eins, ihre Fesseln durchzuschneiden und sie aus der Ohnmacht zu wecken, indem ich ihr meinen Branntwein unter die Nase hielt und ein paar Klapse auf die Wangen gab. Doch kaum, daß sie zu sich kam, die Augen aufschlug und das Schreckensbild in den Flammen erblickte, brach das arme |320| Kind in gellendes Kreischen aus und verlor abermals die Besinnung. Ach, daß daran niemand gedacht hatte! Schnell ließ ich sie wegtragen von dem Unheilsort, nahm ihren Kopf an meine Brust und flößte ihr Tropfen um Tropfen von meinem Feuerwasser ein, bis sie ins Leben zurückkehrte.

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    |321| ZEHNTES KAPITEL
    Am nächsten Tag kam Tronson und sagte, mit meiner Erlaubnis werde er die Musketen der toten Landsknechte nicht zu ihrem Hauptmann bringen, denn er betrachte sie als seine rechtmäßige Beute, die er unter Lebensgefahr erworben habe, und vor allem wolle er eine Trophäe unserer Heldentat behalten. Und als ich zustimmte, bot er mir den übrigen Teil der Waffen an, ich sagte jedoch, ich brauchte sie nicht und er solle sie getrost behalten, denn ohne seine und seiner Gesellen Verstärkung hätte ich die Landsknechte nicht überwältigen können. Glücklich und stolz ging er von dannen, sang in der Rue der Filles-Dieu lauthals sein Lob, und auch meines ein wenig, so daß der Ruf meiner Tugenden bei den Nachbarn schnell herum war und ich hinfort beinahe angesehen war wie ein echtbürtiger Pariser.
    Am 15. August, wenn mein Gedächtnis nicht trügt, knüpfte Miroul in einem Gasthof Bekanntschaft mit einem gewissen Rapin, der beim Chevalier d’Aumale Reitknecht war und, während sein Herr seinen Geschäften nachging, dort traurig seinen Schoppen Wein trank, womit er doppelten Hunger betäubte, den im Bauch und den auf die Wirtin, die ihre Reize für zehn Sous verkaufte, ein Vermögen, von dem Rapin nur träumen konnte, seit sein Herr ihm keinen Lohn mehr zahlte. Als Miroul beobachtete, wie gierig der arme Kerl bald nach den Brüsten der Person, bald nach ihrer Kruppe stierte und sich (wie man im Périgord sagt) doch mit dem Bratenduft begnügen mußte, teilte er mit ihm ein Stück Brot, das er in der Tasche hatte, und schoß ihm, sich betrunken stellend, einen Ecu vor, von dem er nachher angeblich nichts mehr wußte. Und der gute Rapin, gleich in zwei Punkten befriedigt, hängte sich so zutraulich und redselig an Miroul, daß er ihm bis ins kleinste sein Leben erzählte und mit gesenkter Stimme über »Ihr wißt schon, wen« klagte, getraute er sich doch aus Angst vor seinem Herrn weder dessen Namen noch Titel zu nennen. Und so vernahm das aufmerksame Ohr, in welches sich eine Beschwerde |322| um die andere ergoß, daß jener Ungenannte sich jeden Montag zur Dämmerung nach Saint-Denis begab und daß Rapin die ganze Nacht in einer gewissen Straße über die Pferde wachen mußte, bis er den Herrn im Morgengrauen wiedersah.
    »Und in welchem Zustand?« fragte Miroul.
    »Ha! So wie jetzt ich«, sagte Rapin, »voll befriedigt!«
    »Was? Vögelt er in dem Haus?«
    »Und wie! Und derweil muß ich armer Christenmensch auf der Gasse meine Pferde bei Laune halten.«
    »Auf der Gasse, sagst du? Hat das Haus keinen Pferdestall?«
    »Es wird schon einen haben, denn jedesmal kommt eine Magd heraus und gibt den Gäulen ein Bund Heu.«
    »Redet sie mit dir?«
    »Kein Wort, und keinen Bissen hat sie für mich. Die Pferde werden besser versorgt. Wär ich Türke oder Barbar, würd ich nicht mehr verachtet.«
    »Wird das Haus nur von deinem Herrn besucht?«
    »Nein! Nach ihm sehe ich andere eintreten, zwei oder drei, die zu Fuß kommen und sich trotz Hitze im Mantel verhüllen.«
    »Miroul«, sagte ich, als er mir all das berichtete, »das riecht nach Bordell oder nach Intrige. Eins oder das andere, oder beides zugleich. Wir werden sehen.«
    Am Montag, dem 20. August, gelangten wir bei Dunkelwerden ohne jede Schwierigkeit, waren meine beiden Pässe doch nicht zu beanstanden, auf der Spur des Chevalier d’Aumale nach Saint-Denis, ich in der Kutsche und Miroul auf dem Bock (den Hut tief im Gesicht, um nicht von Rapin erkannt zu werden), und sahen, wie der Chevalier ein

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